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Politik

CETA wird zur Nagelprobe für die Zukunft Europas

Barbara Wesel Kommentarbild App *PROVISORISCH*
Barbara Wesel
13. Oktober 2016

Das Bundesverfassungsgericht hat für das Freihandelsabkommen mit Kanada vorerst grünes Licht gegeben. Die Richter begründen das mit den Risiken eines nationalen Stopps. Die entstehen jetzt woanders, meint Barbara Wesel.

Bild: picture-alliance/R. Goldmann

Das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes in Karlsruhe ist ein Teilsieg für Europa. Und sein Präsident hat die möglichen Folgen durch einen Stopp von CETA in Deutschland auf den Punkt gebracht: Die Risiken seien mehr politischer als wirtschaftlicher Natur. Auf dem Spiel stehe die internationale Verlässlichkeit der Bundesrepublik und der Europäischen Union insgesamt, schreibt Andreas Voßkuhle in der Urteilsbegründung. Tatsächlich ist CETA eine Art Versuchsballon dafür, ob die EU überhaupt noch Handelsabkommen mit irgendjemandem auf der Welt abschließen kann.

Kanada ist der beste mögliche Partner

Wirtschaftlich ist CETA für Europa nicht besonders wichtig. Kanada steht auf der Liste unserer Handelspartner gerade mal auf Platz 11. Umgekehrt ist das anders: Die EU ist nach den USA für die Kanadier weltweit der zweitwichtigste Partner. Die kanadische Seite hat also ein weitaus höheres Interesse an einem funktionierenden Handelsabkommen. Für die Europäer dagegen geht es um den Modellfall: Gelänge es, mit den Freunden aus dem hohen Norden Amerikas eine gute Vereinbarung abzuschließen, sollte diese als Blaupause für die neuen Verträge mit Vietnam, Neuseeland und Australien dienen.

Barbara Wesel, DW-Korrespondentin in Brüssel

Es gelang also, mit den flexiblen Kanadiern, deren Wirtschaftsmodell dem europäischen relativ ähnlich ist, viele der bekannten Probleme auszuräumen. Das gilt für ein nachgebessertes Modell der Schiedsgerichtsbarkeit zum Investorenschutz, eine neue Ausnahmeregelung für die öffentliche Daseinsvorsorge, gestärkte Regeln für Arbeit, Umwelt und Nachhaltigkeit. Zugegeben: Die Bestimmungen entsprechen nicht zu 100 Prozent europäischem Recht, etwa bei der Bewertung von Risiken durch Produkte oder Verfahren. Aber wie können wir erwarten, unsere Gesetze vollständig auf Partnerländer anzuwenden? Wir stehen bei CETA vor der Frage, ob wir ein ziemlich gutes Abkommen wollen oder überhaupt nie wieder einen Vertrag mit irgendeinem Land. 

Die Wallonie will nun CETA zu Fall bringen

Karlsruhe hat der Bundesregierung noch ein paar Auflagen mitgegeben - dazu gehört ein nationales Rücktrittsrecht - die nicht leicht zu erfüllen sind. Aber das spielt kaum noch eine Rolle, nachdem das Regionalparlament der französisch-sprechenden Belgier jetzt angekündigt hat, es wolle schon an diesem Freitag (14.10.) CETA blockieren. Da bemängelten Kritiker doch immer, es gebe nicht genug Demokratie bei diesen Abkommen: Jetzt wird ein kleines Regionalparlament aus einem kleinen EU-Mitgliedsland das Ganze blockieren. Und zwar ohne wirklich guten politischen Grund: Denn inwieweit ein paar hundert wallonische Schweinezüchter durch CETA von Billigimporten ausgerechnet aus Kanada bedroht sein sollen, ist nicht nachvollziehbar. Das hat nichts mit Demokratie zu tun, aber viel mit Fundamentalopposition und politischem Stellungskrieg in der zersplitterten belgischen Republik. Hier wird nicht wegen der Sache entschieden, sondern weil sich Provinzfürsten stark fühlen, die vielleicht gern die Zentralregierung stürzen wollen. 

Ein vernichtender Schlag für die EU

Die Handelspolitik ist eine der wichtigsten Zuständigkeiten Brüssels, sie gehört zu den Kernkompetenzen der Europäischen Union. Nur weil ein Aufschrei durch die Lande ging, als die EU-Kommission CETA aus rein europäischer  Machtvollkommenheit verabschieden wollte, lenkte sie ein und gab den Vertrag zur Zustimmung durch die Parlamente frei. Das sind 38 Volksvertretungen in ganz Europa. Die können nun aus jedem beliebigen Grund Nein sagen und das Vorhaben zu Fall bringen. Ob Belgiens Zentralregierung da noch einen spitzfindigen juristischen Ausweg finden kann, ist ungewiss.

Für Europa ist das Ganze ein Desaster. Handelsverträge und ähnliche internationale Abkommen sind immer auf das wirtschaftliche Interesse der gesamten EU gerichtet. Wenn einzelne Regionen sie stoppen können, weil sie für ihren Landstrich Nachteile befürchten, macht das die ganze Übung zur Farce. Glaubt die Wallonie ernsthaft, sie könne mutterseelenallein mit irgendeinem Land der Welt einen besseren Handelsvertrag schließen? Oder will sie lieber gar keinen Handel mehr und nur noch vom eigenen Schweinefleisch leben? Hier bricht sich der größte anzunehmende politische Schwachsinn Bahn. Wenn diese Entwicklung so weiter geht, kann die Europäische Union einpacken und ganz demokratisch den kompletten Laden dicht machen.

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