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Kommentar: Chaos, Frust und Verwirrung

Barbara Wesel Kommentarbild App *PROVISORISCH*
Barbara Wesel
5. Mai 2015

Noch nie hat die Regierung eines EU-Landes in 100 Tagen so viel Unheil angerichtet. Tsipras und Co. haben alle Türen zugeknallt und selbst Freunde verprellt. Lösungen werden immer schwieriger, meint Barbara Wesel.

Bild: Reuters/A. Konstantinidis

Soll man nun weinen oder die Hände über dem Kopf zusammenschlagen, depressiv werden oder einen Wutanfall bekommen? Der griechische Premier Alexis Tsipras (Artikelbild, rechts) und seine Laientruppe von Kabinett haben es geschafft, die zarte Pflanze Wirtschaftswachstum in nur drei Monaten unter einer Geröllhalde von Ungewissheit, Widersprüchlichkeit und Ziellosigkeit zu ersticken. Auf ein halbes Prozent hat die EU-Kommission die Prognose inzwischen nach unten korrigiert, da erübrigt sich dann alles Verhandeln über die Verwendung eines Überschusses, wie Alexis Tsipras noch bei seinem Treffen mit Angela Merkel im März anregte. Es gibt keinen Überschuss mehr. Und wenn es so weiter geht, rutscht das Land zurück in die Rezession und damit noch tiefer in die roten Zahlen.

Athen kurz vor der Pleite

Seit einigen Tagen sind die Griechen wieder international unterwegs. Finanzminister Yanis Varoufakis spricht einmal mehr in Paris und Brüssel vor, und hofft auf eine Spaltung zwischen dem Internationalen Währungsfonds (IWF) und den Europäern. Alexis Tsipras ruft einmal mehr die Bundeskanzlerin an und eine weitere Delegation verhandelt bei der Europäischen Zentralbank (EZB) über die Aufstockung der Nothilfen für griechische Banken. Das Wasser scheint der Regierung in Athen inzwischen bis zum Kinn zu stehen. Aber Angela Merkel kann dem griechischen Premier nichts anderes sagen als dessen Erzfeind Wolfgang Schäuble: Griechenland muss die Vereinbarungen erfüllen, sinnvolle Reformen anbieten und umsetzen - erst dann wird frisches Geld fließen.

Die Währungsunion braucht Regeln

Ist das jetzt endlich klar? Weder Berlin noch die anderen Euro-Länder wollen sich von den Griechen erpressen lassen. Es gibt keine Sonderkonditionen für Chuzpe. Und es gibt keinen Anspruch Griechenlands auf Staatsfinanzierung durch die Eurozone. Wer Hilfe will, muss zeigen, dass er etwas dafür tut, seine Wirtschaft wieder in Gang zu bringen. Und da liegt eigentlich die größte Enttäuschung: Es wäre ja schön gewesen, wenn eine linke Regierung mal gezeigt hätte, dass sie eigene und neue Ideen hat, wie man so ein kleines Land wirtschaftlich auf die Füße stellt. Umweltfreundlicher Tourismus, Vorreiter in der Sonnenenergie, neue naturnahe Landwirtschaft - was könnte man aus den natürlichen Gaben Griechenlands kreativ machen? Stattdessen kommt nur der Urgroßvater-Sozialismus mit Staatsfinanzierung und unproduktivem öffentlichen Dienst, der schon die alte DDR in Richtung Abgrund gelenkt hat.

DW-Korrespondentin Barbara WeselBild: Georg Matthes

Varoufakis spielt weiter

Und dann noch ein Wort zum Personal: In Brüssel waren alle hoch erfreut, als endlich der Finanzminister durch einen neuen Verhandlungsführer ersetzt wurde. Denn Yanis Varoufakis führte sich von Anfang an als Weltökonom auf, hielt seinen Kollegen Einführungsvorlesungen und nervte durch Eitelkeit und Sprunghaftigkeit. Leider heißt die schlechte Nachricht: Varoufakis ist wieder da, auch beim nächsten Treffen der Eurogruppe. Der Mann ist ein Spieler und treibt mit seiner Widersprüchlichkeit alle in den Wahnsinn: Gerade erklärte er einmal mehr, man könne auch ohne neue Kredite auskommen. Und das während ein Athener Regierungssprecher von einer angespannten Liquiditätslage spricht, Tsipras mit Merkel redet und der Vizeregierungschef bei der EZB auf Betteltour geht. So ging es übrigens die ganze Zeit: Minister von verschiedenen Parteiflügeln widersprachen einander und ihrem eigenen Premier im Laufe eines Tages, und versuchten gleichzeitig noch, die Verhandlungspartner gegeneinander auszuspielen. Was am Ende gilt, weiß keiner. Denn es ist nicht klar, ob Tsipras die Altmarxisten, Trotzkisten und Kaffeehaus-Extremisten bei Syriza im Zaum halten kann.

Mit diesem Zirkus muss Schluss sein

Das ist für die Berichterstatter alles ziemlich unterhaltsam. Es gibt viele lustige Artikel - beispielsweise über das letzte Finanzministertreffen in Riga, wo Yanis Varoufakis einsam über die Brücken schlich und das Abendessen schwänzte, weil seine Kollegen ihm erklärt hatten, dass sie von ihm und seinen Zicken die Nase gestrichen voll hätten. Aber für Griechenland könnte das Fortsetzungsdrama als Tragödie enden. Nach wie vor möchte eine Mehrheit der Griechen im Euro bleiben und unterstützt gleichzeitig weiterhin Syriza.

Die Bürger haben noch nicht verstanden, dass beides zusammen wohl nicht geht. Sie können ihre Schulden nicht abwählen. Und sie müssen ihre Wirtschaft so reformieren, dass sie aus eigener Kraft leben können. Auch müssten die Griechen aufhören, mit dem Finger auf andere zu zeigen, weil weder der IWF noch die Eurozone schuld an dem Dilemma sind, sondern eine lange Reihe verantwortungsloser griechischer Regierungen. Zu denen hat sich jetzt auch noch die von Alexis Tsipras hinzugesellt. Allerdings muss das Elend ein Ende haben: Die Regierung in Athen kann jetzt blitzschnell in der Realität ankommen oder aus dem Euro freiwillig austreten oder Neuwahlen abhalten. Oder alles gleichzeitig tun, egal, aber noch einmal hundert Tage lang geht es so nicht weiter.

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