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Politik

Annäherung von großer Tragweite

Martin Fritz, Journalist in Tokio
Martin Fritz
26. Oktober 2018

Das erste Gipfeltreffen von China und Japan seit sieben Jahren ist ein positiver Schritt zu mehr Frieden und Wohlstand in Asien. Denn von mehr Zusammenarbeit können beide Seiten nur profitieren, meint Martin Fritz.

Japans Premierminister Shinzo Abe (links) beim chinesischen Ministerpräsidenten Li KeqiangBild: Reuters/R. Pilipey

Das Jahr 2018 hat Asien zwei wegweisende Ereignisse gebracht: Zuerst hat Nordkorea den kalten Krieg mit Südkorea und den USA gestoppt. Und nun beenden China und Japan, die zweit- und drittgrößte Volkswirtschaft der Erde, ihre Eiszeit und wechseln von "Wettbewerb zu Zusammenarbeit" (Japans Premier Shinzo Abe) und einer "neuen Phase der Kooperation" (Chinas Premier Li Keqiang).

An den lauteren Absichten von Nordkorea und China gibt es zwar berechtigte Zweifel. Es könnten taktische Manöver sein. Aber ein Vertrauensvorschuss ist angebracht. Beide Staaten reagieren auf die veränderte Umgebung in Ostasien. Die Pax Americana der Nachkriegszeit, symbolisiert durch die US-Truppen in Japan und Südkorea, neigt sich dem Ende zu. Das bringt Bewegung in das erstarrte Machtgefüge der Region.

Chinas Motive für mehr Kooperation

Der konkrete Anlass für die Entspannung ist der Handelskrieg, den US-Präsident Donald Trump mit seinen Sonderzöllen gegen China angezettelt hat. Inzwischen weitet die US-Regierung ihre Vorbehalte auf politische und militärische Fragen aus. In dieser Lage braucht China neue Freunde. Die Charmeoffensive soll Japan davon abhalten, sich an der Isolierungsstrategie der USA zu beteiligen.

Martin Fritz ist Korrespondent in TokioBild: Privat

Seine Vorbehalte gegen Shinzo Abe hat Präsident Xi Jinping sicher nicht aufgegeben. In seinen Augen bleibt er ein Revisionist, der Japans Kriegsschuld vergessen machen möchte. Mit seiner offensiven Außenpolitik stellt sich Abe zudem gegen Chinas Hegemonialansprüche und stärkt dafür erstmals seit Jahrzehnten das eigene Militär.

Doch Chinas Führung konnte Abe nicht mehr ignorieren. Der Japaner hat sich neben Angela Merkel zu einem der wichtigsten Fürsprecher der freien Welt entwickelt. Das zeigt sich etwa daran, dass Japan nach dem Ausstieg der USA am Freihandelsvertrag für die Pazifikanrainer festhielt und ihn neu zu Ende verhandelte. Auch der beschleunigte Abschluss des Wirtschaftsabkommens mit der Europäischen Union unterstreicht den Einsatz von Abe für einen offenen Handel.

Warum auch Japan umdenkt

Japan befürchtet, zwischen die Kontrahenten USA und China zu geraten und dabei selbst schweren Schaden zu nehmen. China ist neben den USA der wichtigste Handelspartner, ein bedeutender Absatzmarkt und eine große Produktionsstätte. Das jahrelange Werben von Abe um bessere Beziehungen zu Peking erklärt sich auch mit starkem Druck seitens der einheimischen Wirtschaft.

Zum jetzigen Neustart erkennt Japan den Aufstieg Chinas zum Wirtschaftsriesen an. Das spiegelt sich in dem beabsichtigten Ende der Entwicklungshilfe wider, die mit dem Friedens- und Freundschaftsvertrag vor 40 Jahren begonnen hatte. Damit schafft Tokio mehr Fairness und Gleichberechtigung im Verhältnis zu Peking. Bislang hat es China oft mit Herablassung behandelt.

Miteinander statt gegeneinander ist vorteilhaft für beide

Sollte der Geist dieses Gipfels weiterleben, wäre das gut für Frieden und Wohlstand in Asien. Die Gefahr von militärischen Zusammenstößen rings um die japanischen Senkaku-Inseln, die von China als Diaoyu-Inseln beansprucht werden, geht zurück, weil beide Staaten eine Hotline einrichten wollen. Weder China noch Japan geben ihre Territorialansprüche auf, aber sie legen sie - wie schon früher - klug beiseite.

Auch die Aussicht auf mehr Zusammenarbeit bei Infrastrukturprojekten ist vielversprechend: China und Japan könnten neue Hochgeschwindigkeitsnetze in Thailand, Indonesien und anderswo gemeinsam bauen, statt sich wie bisher gegenseitig zu unterbieten. Das Ergebnis wären Bahnstrecken, Container- und Flughäfen und Autobahnen mit guter Qualität, fairer Finanzierung und unter Einhaltung von Umwelt- und anderen Normen, die China bisher oft ignoriert. In diesem Kontext sind die rund 50 Vereinbarungen von Peking über Projekte und Finanzierungsinstrumente ein Hoffnungssignal.

Die Annäherung von China und Japan mag kein "historischer Wendepunkt" sein, wie es Abe beim Gipfel formulierte. Aber das Tauwetter könnte der Ausgangspunkt für Veränderungen von großer Tragweite werden. Zum Beispiel wird eine Neuordnung der Region rings um Nordkorea nun leichter.

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