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Politik

Chinas Führung nüchtern, aber zuversichtlich

Frank Sieren
Frank Sieren
16. März 2017

Einmal im Jahr, zum Abschluss des Nationalen Volkskongresses, spricht Chinas Premier Li Keqiang mit der Presse. Einer, dem angeblich das Wasser bis zum Hals steht, würde jedoch andere Töne anschlagen, meint Frank Sieren.

Die beiden starken Männer Chinas in der ersten Reihe: Präsident Xi Jinping (3. v. li.) und Premier Li Keqiang (3. v. re.)Bild: picture alliance/Photoshot/J. Peng

Das ist noch keine Demokratie, aber dennoch ein Zeichen, dass der Mann fester im Sattel sitzt, als manche glauben: Premier Li Keqiang konnte beim Volkskongress, der heute zu Ende ging, die höchste Zustimmungsrate seit 2006 erreichen. Nur 14 der rund 3000 Delegierten stimmten gegen den Rechenschaftsbericht und acht enthielten sich. Im vergangenen Jahr waren es noch doppelt so viele Gegenstimmen.

Das ist schon was. Und so war auch die Stimmung der Pressekonferenz: Nüchtern, aber zuversichtlich angesichts der zu lösenden Probleme. Und durchaus nicht unzufrieden mit dem, was erreicht worden ist.

Es gab keine schrillen Töne, keinen Nationalismus, keinen Populismus, um von eigenen Problemen abzulenken - nicht in Richtung Südkorea, nicht in Richtung Japan, nicht gegenüber den USA. Die bestehenden Differenzen hat der Premier jedoch auch nicht verschwiegen. Darüber müsse man reden, sagte der Premier. Das war es aber auch schon.

Kontinuierliches Wachstum ohne Investitionsprogramme

Ansonsten will China seinen Weg fortsetzen - langsamer vielleicht als erwartet, aber stetig und zuverlässig. Weniger Bürokratie und weniger Steuern, weniger Staatsbetriebe, dafür mehr Markt, neue kleine und mittelständische Unternehmen, mehr Serviceindustrie und Konsum, um das stabile, aber nicht berauschende Wachstum zu halten.

Besonders stolz war Premier Li darauf, dass das Wachstum "ohne massive Investitionsprogramme" erreicht werden konnte. Das Wachstum der Schulden mache ihm jedoch Sorgen. Das muss es auch. Allerdings ist China anders als die USA nicht im Ausland verschuldet.

Frank Sieren ist DW-Korrespondent in PekingBild: picture-alliance/dpa/M. Tirl

Die Richtung, welche die chinesische Regierung eingeschlagen hat, stimmt. Aber man muss darüber reden, ob sie tatsächlich so schnell vorankommt, wie sie behauptet. Zweifel sind angebracht. Westliche Beobachter sollten allerdings dabei nicht vergessen, dass China über 30 Prozent zum Wachstum der Weltwirtschaft beiträgt. Die USA liegen bei 9,5 Prozent. Die EU nur bei 6,2 Prozent.

Das ist eine komfortable Position für Reformen, vor allem bei einem Pro-Kopf-Einkommen, das niedriger ist, als das von Rumänien. Spielraum für Wachstum gibt es also noch genug. In Europa und den USA ist das anders. 

Allmählich sickert auch im Westen die Erkenntnis durch: China ist trotz seiner Probleme inzwischen als zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt die treibende Kraft der Globalisierung. Das hat natürlich auch politische Implikationen: Auf die Frage, was China von der neuen Regierung in den USA erwarte, antwortete Li: "Ein Handelskrieg würde unseren Handel nicht fairer machen" und trifft damit den Nagel auf dem Kopf. Beide Parteien müssten sich zusammensetzen und reden, da die Beziehungen beider Länder auch für die regionale und internationale Stabilität von enormer Bedeutung sind.

Damit ist der Ton gesetzt für den ersten Besuch von US-Außenminister Rex Tillerson in Peking am Samstag, bei dem es vor allem auch um Nordkorea gehen wird. Mit Blick auf dieses Thema rief Li alle beteiligten Parteien dazu auf, an den Verhandlungstisch zurückzukehren. "Niemand will Chaos vor seiner Haustür", so Li.

Sind Steuersenkungen wirklich möglich?

Stabilität und Verlässlichkeit seien aber auch gegenüber den eigenen Unternehmern wichtig. Bis zu einer Billion Yuan (144 Milliarden Dollar) will die chinesische Regierung an Steuern und Gebühren für Unternehmen senken. "Der Staat muss den Gürtel enger schnallen, wenn wir die Lasten senken", so Li, der betont, dass die Zentralregierung mit gutem Beispiel voran gehen soll und die täglichen Ausgaben um mehr als fünf Prozent reduzieren will.

Das wird spannend. Denn die Bevölkerung wird den Premier nun beim Wort nehmen, das er gegeben hat. Gleichzeitig muss nämlich der Staat tief in die Tasche greifen, um die 850.000 Menschen, die im vergangenen Jahr ihren Job verloren haben, sozial aufzufangen. Und das ist noch nicht das Ende: In diesem Jahr sollen es noch einmal eine weitere Million Menschen sein, die ihren Arbeitsplatz verlieren, wenn noch mehr Staatsbetriebe geschlossen werden. Das wird nicht einfach, räumt selbst Premier Li ein.

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