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Es ist etwas faul im Staate Dänemark

Barbara Wesel Kommentarbild App *PROVISORISCH*
Barbara Wesel
19. Juni 2015

In Dänemark feiert die rechtspopulistische Dänische Volkspartei einen Wahlerfolg. Dem erschreckenden ausländerfeindlichen Rechtsruck in etlichen EU-Ländern muss jetzt entschieden begegnet werden, meint Barbara Wesel.

Bild: picture-alliance/dpa/L. Kastrup

Neiderregend gute Sozialleistungen, zufriedene Menschen und die erfolgreiche TV Serie "Borgen", die die dänische Politik zwar durchaus als Intrigenstadel, letztlich aber doch als von guten Menschen bewohnten Ort darstellte - sie bestimmen unser Bild vom nördlichen Nachbarn. Nach dem rasanten Wahlerfolg der rechtspopulistischen Dänischen Volkspartei unter Kristian Thulesen Dahl (Titelbild)aber fragt man sich, warum jeder fünfte Däne eine Partei gewählt hat, die vor allem mit ihrer radikalen Anti-Migranten und Flüchtlingspolitik gepunktet hat? Jetzt verspricht sie, dem liberal-konservativen Wahlverlierer Rasmussen wieder als Mehrheitsbeschafferin zu dienen. Und der wird einen teuren Preis für diese Unterstützung zahlen müssen.

Freuen dürfte sich vor allem ein Politiker über dieses Ergebnis: der britische Premier David Cameron. Denn er hat jetzt einen Bündnispartner gewonnen, der ihn bei seinem Plan unterstützen wird, die EU so weit wie möglich zu demontieren und zu schrumpfen. Denn das ist es, was Cameron Reform nennt. Die Unterstützung aus Kopenhagen aber wird den Versuch schwerer machen, den Abrisskurs in London einzudämmen. Die Griechenkrise ist noch nicht bewältigt, da öffnet sich in der EU bereits die nächste Front.

Der Wahlausgang in Dänemark aber bedeutet mehr: Er ist symptomatisch für den Aufstieg einer ausländerfeindlichen und anti-europäischen Rechten in der EU. Jobbik in Ungarn, der Front National in Frankreich, die Lega Nord in Italien, der Vlaams Belang in Belgien – überall florieren Parteien, die altmodische nationalistische Rhetorik mit Fremdenfeindschaft und einem modern gewordenen Europahass verbinden. Ein bedeutender Teil der europäischen Wähler will zurück in ein nostalgisches Gestern, wo noch Schlagbäume die Grenzen markierten, wo ein Landesvater die Geschicke lenkte und man mit der großen bösen Welt wenig zu tun hatte. Es ist eine Welt aus dem Märchenbuch, wenn man an die blutigen Katastrophen des zwanzigsten Jahrhunderts denkt. Aber die Unübersichtlichkeit der Moderne scheint viele zu überfordern, die sich in eine "Gartenlauben-Ära" zurück sehnen, von der sie sich überschaubare Verhältnisse erhoffen.

DW-EU-Korrespondentin Barbara Wesel

Das Projekt Europa gerät immer mehr in die Defensive. Viele Bürger verbinden Brüssel mit der Idee der Fremdbestimmung, dabei sind es ihre eigenen Regierungschefs die gemeinsam die Kompromisse schließen, die das Zusammenleben auf unserem Kontinent möglich machen. Bloß macht sich das kaum jemand klar. Und viele glauben den Lügen und der Propaganda von Rechts, wonach das Leben besser wäre, wenn sich jeder wieder in seinem Vorgarten einzäunt und seine eigenen Karotten pflanzt. Es ist der geradezu wahnhafte Hang zum Kleinen und zur Nostalgie, der sich in vielen Europäern Bahn bricht.

Was geht da in den Köpfen vor? Glaubt ihr in Frankreich wirklich, dass die Bauern besser lebten, wenn Milliardenhilfen aus dem europäischen Agrarhaushalt wegfielen, wie es der Front National erzählt? Und wie stellen sich Niederländer, deren Wirtschaft von Dienstleistung und Logistik in ganz Europa lebt, ökonomische Erfolge ohne die offenen Grenzen der EU vor? Und wie glauben eigentlich Dänen, können sie ihren feinen Sozialstaat finanzieren, wenn sie zurück fallen auf den unbedeutenden Kleinstaat im Norden Deutschlands, der sie historisch lange waren ?

Die Gedankenwelt der Rechtspopulisten ist wahnhaft, aber sie bedienen vorhandene Gefühle. Pro-europäische Regierungen aber wie auch die Institutionen in Brüssel müssen das wahrnehmen und offensiver damit umgehen. Da hilft nur noch Vorwärtsverteidigung: Es war ein Fehler, dass die Sozialdemokratin Helle Thorning-Schmidt die Ausländerfeindschaft der dänischen Volkspartei versucht hat zu unterbieten, statt ihr entgegenzutreten. Wir müssen dafür werben, einen Teil unseres Wohlstandes mit Armen und Verfolgten zu teilen. Wir müssen immer wieder erklären, dass die EU das wichtigste politische Experiment der letzten Jahrzehnte und unsere einzige Zukunftschance ist. Und wir müssen dafür sorgen, dass Europa nicht nur für die weltoffenen Eliten gut ist, die heute davon profitieren, sondern auch denen Perspektiven bietet, die sich abgehängt fühlen und ihre Stimmen den Rechten geben. Und vor allem: Die Rechtspopulisten in Europa sind nicht harmlos, sie können zu Rechtsradikalen und Faschisten werden, die unsere Werte und unser Leben gefährden. Wie heißt das doch? Wehret den Anfängen!

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