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Kommentar: Mehr Bangen als Hoffen in der Ukraine

Bernd Johann16. Februar 2015

Die Menschen in der Ostukraine sehnen sich nach Frieden. Die Waffenruhe ist ein erster Schritt. Doch der eigentliche Test für die Vereinbarung von Minsk kommt jetzt, meint Bernd Johann.

Waffenruhe in der Ukraine - Menschen in Donezk (Foto: DW/I. Kuprijanowa)
Bild: DW/I. Kuprijanowa

Für die Menschen im Osten der Ukraine war es ein Hoffnungsschimmer: Am Sonntag trat die in der weißrussischen Hauptstadt Minsk vereinbarte Waffenruhe in Kraft. An den meisten Abschnitten der hunderte Kilometer langen Front wurde sie eingehalten. Nach wochenlangem Dauerbeschuss wagten sich in Donezk sogar Familien mit Kindern zum Spaziergang auf die Straße. Und selbst das Wetter spielte mit: Bei Sonnenschein und milden Temperaturen schien am Wochenende ein Hauch von Frieden über Teilen der umkämpften Region zu liegen.

Ganz anders aber ist die Lage wenige Kilometer weiter in Debalzewe. Der Ort an der Eisenbahntrasse zwischen Donezk und Luhansk wird zum Test für das Minsker Abkommen. Um den strategisch wichtigen Verkehrsknotenpunkt wurden in den vergangenen Wochen die bislang heftigsten Kämpfe geführt. Bis zu 8000 ukrainische Soldaten sollen dort nach Angaben der Separatisten und aus Moskau eingekesselt sein. Die Regierung in Kiew bestreitet das.

Sicher aber ist: Keine der Konfliktparteien denkt in Debalzewe derzeit an Rückzug. Die ukrainische Armee will den Ort halten. Die Separatisten wollen ihn erobern. Ihre Anführer behaupten sogar, die Waffenruhe gelte gar nicht für Debalzewe. In diesem kleinen Ort, so scheint es, könnte sich deshalb die Frage über Krieg und Frieden in der Ostukraine entscheiden.

Die schweren Waffen müssen weg

Die Waffenruhe bleibt brüchig, wenn jetzt nicht weitere wichtige Punkte der Minsker Vereinbarungen umgesetzt werden, so schnell es geht: Alle schweren Waffen müssten von der Front zurückgezogen werden - auch in Debalzewe. 48 Stunden nach Beginn der Waffenruhe, also schon ab Dienstag, soll dieser Prozess beginnen. Die Beobachter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE), die die Umsetzung kontrollieren sollen, müssten ungehinderten Zugang zu allen Kampfzonen erhalten. Und das ist noch immer nicht der Fall. Insbesondere nicht in Debalzewe.

Bernd Johann, Leiter der Ukrainischen Redaktion der DWBild: DW/P. Henriksen

Bangen und Hoffen liegen im Donbass derzeit eng beieinander. Alle Beteiligten wissen, die Waffenruhe kann nur stabiler werden, wenn wirklich alle Panzer, Haubitzen und Raketenwerfer abgezogen würden. Die Erfahrung zeigt allerdings: Die Separatisten nutzen bislang jede Feuerpause nur, um ihren Vormarsch mit russischer Militärtechnik weiter voranzutreiben.

Keine Waffenruhe in Debalzewe

Gerade die Frage der Waffen der Separatisten ist eine der größten Schwachstellen im Minsker Abkommen. Der Weg über die russische Grenze ist für militärischen Nachschub an die Separatisten nach wie vor offen. Denn die Kontrolle über diese Grenze soll Kiew noch bis zum Jahresende verwehrt bleiben. Und so steht zu befürchten, dass noch mehr Waffen in die Region gelangen, mit denen die Entscheidung auf Schlachtfeldern wie in Debalzewe gesucht werden kann.

In Minsk wurde darüber viel gesprochen. Und auch die Lage in Debalzewe war ein großes Thema. Nach den Vereinbarungen müssten auch dort jetzt die Separatisten ebenso wie die ukrainische Armee ihre schweren Waffen abziehen. Aber nichts deutet derzeit darauf hin. In Debalzewe stehen die Zeichen weiter auf Krieg. Von einer Waffenruhe ist dort jedenfalls keine Rede.