Gewinnwarnung ist einer der irreführendsten deutschen Wirtschaftsbegriffe. Denn es wird ja nicht vor einem Gewinn gewarnt, den ein Unternehmen machen könnte, sondern davor, dass es eben weniger oder keinen Gewinn macht. Es müsste eigentlich Verlustwarnung heißen. Aber egal: Eine solche Gewinnwarnung kam Anfang der Woche vom deutschen Chemiekonzern BASF. Das ist nicht irgendein Konzern, sondern der größte Chemiekonzern der Welt, mit 122.000 Beschäftigten rund um den Globus. Wenn ein solches Unternehmen seine Prognose für das laufende Geschäftsjahr derart drastisch zurückschraubt - dass man nämlich mit einem Gewinneinbruch von sage und schreibe 30 Prozent rechnet - dann sollten tatsächlich alle roten Lampen angehen.
Warum? Weil so ein Chemiekonzern als Erster spürt, wenn es anderen schlecht geht. Und so ein Chemiekonzern hat Kundschaft in vielen, ja sogar fast allen Branchen. In der Autoindustrie zum Beispiel, an die man Lacke und Kunststoffe liefert. Dort, so begründet BASF seine Warnung, fielen die globalen Wachstumseinbußen besonders stark aus. Eine weitere Begründung: Die weltweiten Handelskonflikte. Wer noch immer dachte, das renke sich schon wieder ein - und mit dem nächsten Tweet von Mr. President werde schon alles wieder gut - der wird nun eines Besseren belehrt. Eine wirkliche Lösung ist nicht in Sicht, aber die Schäden sind offenbar jetzt schon enorm. Denn wenn Unternehmen etwas fürchten wie der Teufel das Weihwasser, dann ist es Unsicherheit.
Das böse R-Wort
Nun kann man eine Rezession auch herbeireden. Aber es ist ja nicht nur BASF. Die schlechten Nachrichten aus der deutschen Wirtschaft werden mehr, praktisch täglich dräut neues Ungemach. Die Aufträge für die deutsche Industrie gehen weiter zurück. Die Stimmung in die Unternehmen dreht ins Negative. Das Münchner Ifo-Institut für Wirtschaftsforschung, das den Unternehmen regelmäßig den Puls fühlt, musste diese bad news neulich verbreiten, garniert mit dem bösen R-Wort: Das exportorientierte verarbeitende Gewerbe (es erwirtschaftet ein Viertel der deutschen Wertschöpfung) stecke in einer Rezession, so die Forscher. Die deutschen Maschinenbauer - neben den Autobauern die zweite große Stütze der Wirtschaft hierzulande, erwarten fürs Jahr ein Minus von zwei Prozent in der Produktion.
Schon vor BASF kamen andere Unternehmen mit Schreckensnachrichten um die Ecke: Siemens verzeichnet einen "unerwartet schwachen Auftragseingang", beim Industriekonzern ThyssenKrupp rechnen die Analysten alsbald mit einer Gewinnwarnung. Gleichzeitig häufen sich Meldungen über geplante Entlassungen: BASF will 6000 Stellen kappen; Konkurrent Bayer hat schon vor einiger Zeit 12.000 Jobs zur Disposition gestellt, auch bei Siemens, Thyssenkrupp, Volkswagen sind die fetten Jahre offenbar vorbei. Man wappnet sich für einen veritablen Sturm, der aufzieht.
Zurück zur Normalität?
Die gute nach den vielen schlechten Nachrichten: Der deutsche Arbeitsmarkt ist in einer derart robusten Verfassung, dass er die derzeitige Welle wird wegstecken können. Die Zahl der angemeldeten Anträge auf Kurzarbeit nahm in den vergangenen Wochen deutlich zu. Das heißt: Viele Unternehmen entlassen nur, wenn es gar nicht anders geht. Viele versuchen, über das Instrument der Kurzarbeit ihre Fachkräfte, um die sie so hart kämpfen müssen, zu halten. Und viele Fachkräfte, sollten sie doch entlassen werden, dürften problemlos anderswo unterkommen.
Die Kurzarbeit hat der deutschen Wirtschaft übrigens geholfen, nach der schweren Rezession des Jahres 2009 (als Folge der Weltfinanzkrise war die Konjunktur um fünf Prozent eingebrochen) schnell wieder in die Spur zu finden. Und: Von einem solch dramatischen Einbruch ist die Weltwirtschaft weit entfernt. Nach Jahren der Hochkonjunktur mit einer teilweise überhitzten deutschen Wirtschaft folgt nun im besten Fall eine Phase der Normalisierung. Dazu gehören Zyklen von Auf- und Abschwung. Wirklich schlechte Nachrichten klingen anders.