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Politik

Das post-faktische Erfolgsjahr von Wladimir Putin

29. Dezember 2016

Hat das Jahr 2016 die wahre Stärke Russlands gezeigt? Es mag oberflächlich betrachtet vielleicht so wirken. Aber dem Sieg in Aleppo zum Trotz - die Tatsachen sprechen eine andere Sprache, meint Ingo Mannteufel.

Bild: picture-alliance/dpa/Y. Kochetkov

Auf den ersten Blick erscheint das Jahr 2016 als ein erfolgreiches Jahr für den russischen Präsidenten Waldimir Putin: Bei allen bedeutenden Stichwörtern des Jahres - Syrien, Türkei, Brexit, Flüchtlingskrise, Trump - gilt der Autokrat im Kreml als Nutznießer der Entwicklung. Doch so ein Urteil sollte nicht vorschnell gezogen werden. Denn die neue globale Bedeutung Moskaus und die Stärke Russlands werden erheblich überschätzt.

Russlands Stärke ist die Schwäche des Westens

Russland wirkte in 2016 in Syrien nur deswegen stark, weil sich der Westen - allen voran die USA - in den vorherigen Jahren nicht bedeutend engagiert hat. Denn US-Präsident Obama hatte sich - vor dem Hintergrund der verfehlten Interventionen in Afghanistan, im Irak und in Libyen - in Syrien für militärische Zurückhaltung entschieden.

Ingo Mannteufel leitet die Russische Redaktion der DW

Nachdem Obama vor einer Intervention gegen Assad zurückgeschreckt war, entstand ein Machtvakuum in der nahöstlichen Konfliktregion, das Putin für seine Ziele genutzt hat: Mit einem überschaubaren Militäreinsatz aus der Luft und vermutlich einigen Spezialkräften am Boden hat Russland 2015 und 2016 gemeinsam mit dem Iran geholfen, die Macht des Assad-Regimes zu stabilisieren und wichtige Landesteile wieder unter die Kontrolle von Damaskus zu bringen. Ob Russland aber militärisch stark genug ist, um nun auch gegen die Kämpfer des sogenannten IS vorzugehen, darf bezweifelt werden.

Genauso wenig hat Russland die wirtschaftliche Stärke, das kriegszerstörte Syrien von Diktators Assad wieder aufzubauen. Die schrecklichen Gräueltaten gegen die Zivilbevölkerung verdecken das Fehlen einer langfristigen russischen Strategie in Syrien. Wie in der Ostukraine ist der Kreml nur fähig, Krieg und Gewalt zu verbreiten. Für eine stabile und zukunftsgerichtete Ordnung in den für sich reklamierten "Einflusszonen" fehlt Russland hingegen die politische und wirtschaftliche Kraft.

Russland selbst ist ein schwaches Land

Sicherlich kann der Kreml als Nutznießer des Brexit betrachtet werden, weil dieser die Zukunft der Europäischen Union erheblich in Frage gestellt hat. Und auch die Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten spielt dem russischen Präsidenten Wladimir Putin in die Hände: Wäre seine Intimfeindin Hillary Clinton doch als Präsidentin eine deutlich größere Herausforderung für Russland gewesen. Doch inwieweit der Brexit und US-Präsident Trump im Jahr 2017 wirklich einen Vorteil für die russische Politik darstellen, bleibt bisher offen.

Bei aller internationalen Großmannssucht des Kremls darf auch nicht vergessen werden, dass Russland selbst ein ökonomisch schwaches Land ist: Die schon in den vergangenen Jahren geschrumpfte Wirtschaft ist auch 2016 nicht gewachsen. Die Reallohneinkommen sinken. Die Schere zwischen Arm und Reich nimmt zu. Die russische Wirtschaft ist - bei weiterhin niedrigem Ölpreis - von Rohstoffexporten abhängig. Dem produzierenden Gewerbe mangelt es an Innovationsfähigkeit und Kapital - während russisches Kapital wie eh und je massiv aus dem Land geschafft wird. Jegliches Bemühen um Modernisierung der vorherigen Jahre ist komplett versandet. Auch 2017 ist mit wirtschaftlichen Reformen nicht zu rechnen, da der Kreml bis zur russischen Präsidentenwahl im März 2018 Unruhe vermeiden wird. Wirtschaftliche Stagnation oder gar weiterer Niedergang werden sich also in den nächsten Jahren fortsetzen, falls nicht der Ölpreis unverhofft auf Rekordhöhen steigt.

Vordergründig alles unter Kontrolle

Politisch kontrolliert der Kreml vordergründig das Land: Die wenigen Oppositionellen, zivilgesellschaftliche Organisationen oder freie Medien sind durch Repressionen der Sicherheitsorgane marginalisiert. Der Bevölkerung ist auch nicht nach Protesten zu Mute. Die geringe Wahlbeteiligung bei den russischen Parlamentswahlen im September - vor allem in den Großstädten - hat die politische Apathie offengelegt. Im Falle künftiger sozialer, wirtschaftlicher oder politischer Verwerfungen könnte Putins Herrschaftssystem schlagartig an Akzeptanz verlieren. Zumal das Vertrauen in die russische Beamtenschaft aufgrund von Korruption und Missmanagement mehr als gering ist.

Putins Russland geht damit mitnichten besonders gestärkt ins neue Jahr: Wie die USA, Europa, die Türkei, Japan, China, Brasilien und viele andere Länder steht auch Russland vor erheblichen Herausforderungen in  2017. Besondere Siegesgefühle sollten im Kreml daher nicht aufkommen.

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