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Politik

Das soll der Rechtsstaat sein?

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Felix Steiner
17. Juli 2018

Während ein Leibwächter von Osama bin Laden nach Deutschland zurückgeholt werden muss, schiebt man gut integrierte Männer nach Afghanistan ab. So wird der Glaube an den Rechtsstaat untergraben, meint Felix Steiner.

Bild: picture alliance/dpa/B. Roessler

Wer glaubt, dass der gesunde Menschenverstand und der Rechtsstaat zwei einander ausschließende Dinge sind, der kann sich seit dem vergangenen Freitag durchaus bestätigt fühlen.

Da ist zum einen Sami A. - bekannt auch als ein angeblicher "Leibwächter von Osama bin Laden". Seit Wochen schon beherrscht der Mann die Schlagzeilen der Boulevardpresse und die Userforen im Internet. In ihrer jüngsten Regierungserklärung am 28. Juni ließ sogar die Bundeskanzlerin wissen, dass sie sich mit dem Aufenthalt eines solchen Menschen in Deutschland nicht abfinden könne.

Schutz für einen Terroristen, dem Folter droht

Jedem Steuerzahler treibt der Fall die Tränen in die Augen: Ein bekennender Islamist, Helfer des einst meistgesuchten Terroristen der Welt, lebt seit Jahren in Deutschland und bezieht für sich, seine Frau und die vier gemeinsamen Kinder deutsche Sozialleistungen. Sein Asylantrag ist längst abgelehnt, aber weil ihm in seiner Heimat Tunesien Folter drohe, kann er nicht abgeschoben werden. Darüber hinaus stufen ihn die hiesigen Sicherheitsbehörden als sogenannten "Gefährder" ein. Einen Menschen also, dem jederzeit ein Anschlag zuzutrauen ist. Das Problem ist allein: Gerichtsfest konnte ihm bisher nichts nachgewiesen werden.

DW-Redakteur Felix Steiner

Umso mehr freuten sich die Anhänger des gesunden Menschenverstands am Freitag über die Nachricht, dass der Mann nun endlich außer Landes gebracht wurde. Doch die Freude währte nur kurz: Wenige Stunden später ließ das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen mitteilen, dass der Mann so schnell wie möglich wieder nach Deutschland zurückgeholt werden müsse - natürlich erneut auf Steuerzahlers kosten. Weil man doch längst festgestellt habe, dass er gar nicht abgeschoben werden dürfe. Einziger Trost in diesem Theater: Tunesien will den Mann gar nicht mehr herausgeben, sondern ihn selbst vor Gericht stellen.

Wer nicht schon in diesem Moment an der Logik staatlichen Handelns in Deutschland zweifelte, dem wurden seither stündlich immer neue Argumente serviert. Es scheint nämlich, als sei der Gerichtsbeschluss gezielt zurückgehalten worden, bis die Abschiebung vollzogen war. Über dieses Vorgehen kann man nur noch den Kopf schütteln. Ob wirklich jedes in Deutschland getroffene Gerichtsurteil der Weisheit letzter Schluss ist - darüber kann man ja durchaus streiten. Und gegebenenfalls auch den rechtlichen Rahmen korrigieren, innerhalb dessen Richter agieren. Aber dass staatliche Stellen Gerichtsbeschlüsse gezielt unterlaufen - das untergräbt den Rechtsstaat. Und kann deswegen nicht sein!

Von wegen nur Straftäter und Integrationsverweigerer

Zum anderen werden immer mehr Details zu den 69 in der vorvergangenen Woche abgeschobenen Afghanen bekannt, von denen sich einer wenige Tage später in Kabul das Leben nahm. Wer bislang der Darstellung der staatlichen Stellen glaubte, es würden nur Straftäter und hartnäckige Integrationsverweigerer abgeschoben, kommt jetzt ins Grübeln: Inzwischen haben findige Lokalreporter vor allem in Bayern das Umfeld der Abgeschobenen erkundet. Und siehe da: Ein mittelständischer Metallbaubetrieb muss plötzlich auf einen Schweißhelfer verzichten, der dort seit dreieinhalb Jahren zuverlässig seine Arbeit machte, gut deutsch sprach und Steuern zahlte. Auch ein Bäckerlehrling - die überall händeringend gesucht werden - musste gehen. Und zwei junge Männer hat man in der Nacht vor ihrer mündlichen Schulabschlussprüfung aus den Betten geholt. Einer hatte für September einen Ausbildungsvertrag als Altenpfleger in der Tasche - ebenfalls ein Mangelberuf in Deutschland. Alle, die mit diesen Menschen zu tun hatten, schildern sie als fleißig und integrationwillig.

Mag sein, dass all diese Abschiebungen rechtlich einwandfrei waren. Doch solche Schicksale werfen Fragen auf. Vor allem diese: Weiß der deutsche Staat eigentlich noch, was er will und was er tut? All die privaten Helfer, die sich in der Flüchtlingshilfe engagieren, und die Betriebe, die den Neuankömmlingen eine Chance geben, fühlen sich jedenfalls nicht mehr ernst genommen. Obwohl doch jede staatliche Stelle wissen müsste, das ohne diese Menschen Angela Merkels "Wir schaffen das" völlig illusorisch ist. Das Vertrauen in und der Glaube an den Rechtsstaat wird auch hier untergraben - mitten unter den Menschen, die diesen Staat tragen, ihn ausmachen. Das ist geradezu fatal.

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