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Politik

Datenspeicherung - Gefahr auf Vorrat

Marcel Fürstenau31. Mai 2015

Es gibt Themen, die wird man schwer los - zum Beispiel die Vorratsdatenspeicherung. Die heißt jetzt anders. Noch ein Grund mehr, misstrauisch zu sein. Das gilt besonders für Whistleblower, meint Marcel Fürstenau.

"Stoppt die Totalüberwachung", fordert ein Mann, der vor dem Brandenburger Tor in Berlin gegen die Vorratsdatenspeicherung demonstriert (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Das Gesetz gibt es noch nicht, aber es wird kommen. Wahrscheinlich schon Anfang Juli, kurz bevor sich der gesetzgebende Bundestag für zwei Monate in die Sommerferien verabschiedet. Die zu erwartende Ruhe im Berliner Regierungsviertel dürfte hilfreich sein, um das unerfreuliche Thema endlich aus den Schlagzeilen zu bekommen. Hoffen die Befürworter, befürchten die Gegner. Im Moment ist es das, was umgangssprachlich "Aufregerthema" genannt wird. Die Aufregung beginnt schon beim Namen: "Entwurf eines Gesetzes zur Einführung einer Speicherpflicht und einer Höchstspeicherfrist für Verkehrsdaten".

Auf diese beschönigende Bezeichnung muss man erst einmal kommen. Erfunden wurde sie im Bundesjustizministerium. Dessen Chef war lange gegen das Gesetz. Kein Wunder also und irgendwie menschlich verständlich, dass Heiko Maas das Reizwort "Vorratsdatenspeicherung" vermeiden will. Den Verdacht, gegen seine Überzeugung gehandelt zu haben, wird der Sozialdemokrat trotzdem nicht mehr los. Dafür sorgen zahlreiche Kommentatoren, Datenschützer und die politische Opposition. Auch in den eigenen Reihen brodelt es gewaltig.

Deutschland schränkt freiwillig Bürgerrechte ein

Viele SPD-Genossen sind verständlicherweise empört - über das geplante Gesetz, aber auch über ihren Vorsitzenden Sigmar Gabriel. Der bedrängte seinen Parteifreund Maas öffentlich, zusammen mit dem konservativen Innenminister Thomas de Maizière einen Gesetzentwurf auszuarbeiten. Maas fügte sich und hat nun verdientermaßen ein Glaubwürdigkeitsproblem. Das wird an ihm haften bleiben wie ein Kaugummi an der Schuhsohle. Es wird ihn auf Schritt und Tritt begleiten, wenn er seinen Sinneswandel begründen soll - es aber nicht kann. Denn neue Argumente für das verdachtsunabhängige Speichern aller Telekommunikationsdaten konnte auch Maas nicht liefern.

 

Das Gegenteil trifft zu: Der Justizminister hätte unter Verweis auf den Koalitionsvertrag den endgültigen Verzicht auf die Vorratsdatenspeicherung verlangen können, ja müssen. Dort heißt es auf Seite 147 unmissverständlich: "Wir werden die EU-Richtlinie über den Abruf und die Nutzung von Telekommunikationsverbindungsdaten umsetzen." Gemeint ist die Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung. Die aber wurde 2014 vom Europäischen Gerichtshof wegen Verstoßes gegen die Grundrechtscharta für nichtig erklärt. Eine neue Richtlinie wird es nicht geben. Die einzelnen EU-Staaten können nationale Gesetze verbschieden, müssen aber nicht. Es besteht also kein Zwang, Deutschland schränkt die Bürgerrechte freiwillig ein!

Deutsche Welle: Marcel Fürstenau Bild: DW

"Datenhehlerei" - ein schwammiger Vorwurf

Den Justizminister plagt nun anscheinend sein schlechtes Gewissen. "Klare und transparente Regelungen wahren die Balance zwischen Freiheit und Sicherheit", lautet ein rechtfertigender Satz. Wirklich? Genaues Hinsehen lohnt sich bei diesem hochsensiblen Thema besonders. Schließlich wird das Gesetz zu gravierenden Veränderungen im Strafgesetzbuch führen. Im Paragrafen-Dschungel taucht auch das Wort "Datenhehlerei" auf. Oder taucht es eher unter? Soll es ein wenig untergehen im Sog der Vorratsdatenspeicherung, um den Vorwurf der Datenhehlerei bei Bedarf politisch instrumentalisieren zu können?

Zwar geht es auf den ersten Blick vornehmlich um den Handel mit unrechtmäßig erworbenen Daten wie Passwörtern fürs Online-Banking oder vergleichbare Sicherungstechniken. Das hinter einer solchen Straftat steckende Motiv wäre demnach rein materieller Natur. Es gibt aber auch Zeitgenossen, die aus moralischen oder idealistischen Gründen Daten klauen und an Dritte weitergeben. Empfänger können auch Journalisten sein. Diese Konstellation trifft zum Beispiel auf den NSA-Whistleblower Edward Snowden zu. Bei vielen Deutschen genießt er Heldenstatus. In den USA hingegen gilt er ganz überwiegend als Verräter. Aber auch der deutsche Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen nennt ihn so.

Hacker können auch Whistleblower sein - und umgekehrt

Whistleblower? Datenhehlerei? Vorratsdatenspeicherung? Im Gesetzentwurf stehen Sätze, die aufhorchen lassen. "Mit dem Erwerb und der Weitergabe gestohlener Daten müssen die Täter nicht zwingend nur finanzielle Interessen verfolgen." Wenn aber Geld keine Rolle spielt, was dann? Auch auf diese Frage findet sich eine interpretationsfähige Antwort: "Tatmotiv kann auch eine Schädigung Dritter sein, etwa durch Angriffe auf Informationssysteme." Dass damit ausschließlich Hacker- und Cyberangriffe gemeint sind, darauf sollte sich besser niemand verlassen. Auch Geheimdienst-Computer sind Informationssysteme und Snowdens Datenklau war ein Angriff auf die NSA.

Die vagen Formulierungen lassen also viel Spielraum, wenn es um die juristische Bewertung der "Rechtsgutverletzung" geht. Laut Gesetzentwurf zur Vorratsdatenspeicherung ist es nämlich strafbar, wenn sich "ein Dritter die gestohlenen Daten verschafft und damit die Daten weiterverbreitet werden". Whistleblower vom Schlage Snowdens tun genau das - um Unrecht zu enthüllen. Zum Glück gibt es solche Menschen auch in Deutschland. Mögen sie sich nicht einschüchtern lassen! Auch nicht vom "Gesetz zur Einführung einer Speicherpflicht und einer Höchstspeicherfrist für Verkehrsdaten".

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