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Dem Schock muss Handeln folgen

Porträt eines Mannes mit blauem Sakko und roter Krawatte
Bernd Riegert
15. November 2015

Der G20-Gipfel in Antalya gelobt eine gemeinsame Terrorbekämpfung. Das ist ein gutes Zeichen. Wunder darf man aber nicht erwarten, meint Bernd Riegert. Und in der Flüchtlingsfrage bröckelt die Einigkeit schon wieder.

Bild: Getty Images/C. McGrath

Die Teilnehmer des G20-Gipfels in Antalya waren geschockt von den Terroranschlägen der Islamisten in Paris. Sie haben, was selten ist, eine gemeinsame Erklärung schreiben lassen, die an starken Worten nicht spart. Man wolle den anwachsenden Strom von terroristischen Kämpfern zusammen niederkämpfen, heißt es da. Zum ersten Mal überhaupt scheinen sich Amerikaner, Europäer, Asiaten und Afrikaner einig zu sein, dass Terror in jeder Form abzulehnen ist. Jedes der 20 exklusiven Klubmitglieder war entweder selbst schon Ziel des Terrors oder ist in ständiger Gefahr, eines zu werden. Die neuerlichen Anschläge im Herzen Europas haben jedem klargemacht, wie gefährlich und mächtig die Terrorarmee des "Islamischen Staates" mittlerweile ist.

Eigentlich ist es aber beschämend, dass dieser neuerliche schreckliche Weckruf nötig war, um die Weltgemeinschaft endlich zu mehr entschlossenem Handeln zu führen. Schließlich sind allein in den letzten Monaten bereits Hunderte Türken, Libanesen, Nigerianer, Russen und Touristen in Tunesien Opfer der ruchlosen Mörder geworden. Geschockt sind die G20-Führer auch, weil sie immer noch kein ausreichendes Mittel haben, um die Angriffe auf die zivilisierte Welt, wie US-Präsident Obama sie nennt, abzuwehren. Sie können die Sicherheit ihrer eigenen Bürgerinnen und Bürger nicht mehr gewährleisten, also die Kernaufgabe des Staates nicht mehr erfüllen. Das muss sich ändern, haben sie alle gefordert. Nur wie?

USA und Russland müssen zusammenarbeiten

Ein hoffnungsvoller Anfang ist das Treffen zwischen dem amerikanischen und dem russischen Präsidenten in Antalya. Sie sollten ihre Differenzen im Syrien-Krieg überwinden und gemeinsam den "Islamischen Staat" unschädlich machen. In Syrien und im Irak. Um die Zukunft von Syriens Regime unter Bashar al Assad kann man sich später kümmern. Eine Verstärkung der Militäreinsätze, vielleicht sogar mit Bodentruppen oder unter NATO-Beteiligung scheint nicht mehr ausgeschlossen. Frankreich ist entschlossen. Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel hat erklärt, sie werde gemeinsam mit Frankreich alles tun, was nötig ist. Wie weit dieses Versprechen reicht, wird man in den nächsten Tagen und Wochen sehen.

Bernd Riegert, Europa-Korrespondent

Eine weitgehende Beseitigung des "Islamischen Staates" und eine Befriedung Syriens würden mittelfristig hoffentlich das Nachwachsen von neuen Terroristen verhindern. Allerdings darf man sich keine Illusionen machen. Die Terroristen, die bereits mitten unter uns leben, wird man durch Bombenangriffe in Syrien nicht los. Die müssen die nationalen Polizeibehörden finden. Und da gibt es in Europa und in vielen anderen G20-Staaten noch viele unerledigte Aufgaben, die angepackt werden müssen. Der polnische Ratspräsident der Europäischen Union, Donald Tusk, hat das genau richtig auf den Punkt gebracht, als er sagte, wir müssen handeln. Noch einen Gipfel - wie so viele zuvor - könne man sich nicht leisten.

Solidarität kann man in der Gruppe der 20 nicht erwarten

Die Einigkeit der Gruppe der 20 wichtigsten Staaten der Erde bröckelt allerdings schon wieder in der Flüchtlingsfrage. Die Europäer müssen sich verwunderte Fragen aus anderen Erdteilen gefallen lassen, warum sie nicht in der Lage seien, ihre Außengrenzen effizient zu schützen. Nicht nur um Flüchtlinge zu registrieren, sondern auch um Terroristen, die als Flüchtlinge einsickern, rechtzeitig zu finden. Die europäischen G20-Mitglieder haben Besserung gelobt. Sie brauchen dazu aber die Kooperation der Türkei. Die Verhandlungen mit dem höchst selbstbewussten türkischen Präsidenten Erdogan haben bislang noch kein befriedigendes Ergebnis gebracht. Es zeichnet sich aber ab, dass Europa der Türkei weit entgegenkommen wird, einfach weil Erdogan zurzeit am längeren Hebel sitzt.

Die übrigen G20-Mitglieder haben zwar wortreich Verständnis für die Flüchtlingskrise gezeigt, aber die Zusage, selbst Flüchtlinge aus Syrien aufzunehmen, gab es natürlich nicht. Viele Staaten, darunter Australien, Indonesien, China, Südafrika, Brasilien und Saudi-Arabien halten die Krise für ein regionales Problem des wohlhabenden Europas. Da hilft auch nicht, dass die unter Druck stehende Bundeskanzlerin und die EU an die globale Solidarität appellieren. Die G20 ist kein Soli-Basar, sondern hier geht es um knallharte Interessen. Die G20 sind auch kein Menschenrechts- oder Demokratieverein. Gemeinsame Werte zählen hier wenig. Es geht im Kern um wirtschaftliche Koordination - und neuerdings auch um Terrorabwehr.

Bernd Riegert Korrespondent in Brüssel mit Blick auf Menschen, Geschichten und Politik in der Europäischen Union
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