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Politik

Der chinesische Konsens in Gefahr

Winkekatze Maneki-neko
Dang Yuan
28. Mai 2020

Auf dem Volkskongress demonstrierte Chinas Premier Li Keqiang Reformfreude, räumte aber Herausforderungen ein. Die KP braucht eine neue Legitimation, wenn die Wirtschaft kaum noch wächst, meint DW-Redakteur Dang Yuan.

Abstimmungsergebnis über das neue Sicherheitsgesetz für Hongkong beim Nationalen VolkskongressBild: Reuters/C.G. Rawlins

Innerhalb von 30 Minuten war es am Donnerstag in der Großen Halle des Volks mit den Abstimmungen vorbei. Dabei hat das Scheinparlament mit überwältigender Mehrheit wichtige Gesetze und Gesetzesvorhaben verabschiedet. Zum Beispiel ein neues Bürgerliche Gesetzbuch, das ab 1. Januar in Kraft treten wird, und den Auftrag für ein neues Sicherheitsgesetz für Hongkong. Mit 2878 Ja-, einer Nein-Stimme und sechs Enthaltungen ging der Hongkong-Antrag durch - obwohl 36 Delegierte aus Hongkong mitgestimmt haben.

Die regierende Kommunistische Partei Chinas (KPCh) deutet solche Ergebnise als Zeichen einer breiten Unterstützung durch das Volk. Der Welt macht es abermals deutlich, dass das angebliche Kontrollgremium eben doch nur eine Attrappe ist. Kontroverse Themen werden in diesem Plenum nicht debattiert, Kritik und andere Meinungen nicht toleriert. Stattdessen gab es einen ungewöhnlich langen Applaus von 22 Sekunden, als die Hongkong-Vorlage gebilligt wurde.

Gesellschaftlicher Konsens droht zu kippen

Zum ersten Mal seit 1990 hat Ministerpräsident Li Keqiang kein konkretes Wachstumsziel genannt. Bisher war das kontinuierlich hohe Wirtschaftswachstum die Legitimation für die KP-Alleinherrschaft. Der gesellschaftliche Konsens zwischen den Herrschern und dem Volk lautet: Solange die Menschen immer wohlhabender werden, stehen die Forderungen nach Demokratie zurück.

Doch jetzt wächst China nur noch langsam. Die Regierung spricht selbst von einem "Abwärtsdruck". Die Gründe sind vielschichtig, die Corona-Krise ist nur einer davon. Mangelnde Innovationskraft, Nachteile für Privatunternehmen und fehlende Binnennachfrage bilden eine gefährliche Mischung für Chinas Volkswirtschaft. "Die Sicherung von Arbeitsplätzen" wurde im Rechenschaftsbericht der KP-Führung 39-mal als Ziel benannt. Dennoch verbreitete Ministerpräsident Li bei der Abschlusspressekonferenz Optimismus und versprach für das laufende Jahr trotz Pandemie ein "mäßiges" Wachstum.

Globale Relevanz der Beschlüsse von Peking

Der Nationale Volkskongress ist eine Veranstaltung von globaler Relevanz, denn China ist in hohem Grade in die Weltwirtschaft integriert. Die Corona-Krise hat gezeigt, dass die globalen Wertschöpfungsketten und Lieferketten nicht sicher sind, wenn China nicht wie gewohnt produzieren und exportieren kann. Außerdem ist der riesige chinesische Markt von entscheidender Bedeutung für den Erfolg ausländischer Großkonzerne und mittelständischer Betriebe - vor allem in exportorientierten Nationen wie Deutschland. Volkswagen zum Beispiel als weltgrößter Autobauer verkaufte 2019 knapp elf Millionen Fahrzeuge - davon 4,2 Millionen in China.

Wenn also China ins Stocken gerät, hat die Welt ein Problem. Dank Globalisierung hängt der Wohlstand in Deutschland auch vom Reich der Mitte ab. Der Nationale Volkskongress, auf dem sich der Ministerpräsident Li Keqiang einmal im Jahr der internationalen Presse stellt, ist die Chance, Chinas Weg in die Zukunft zu erfassen und kritisch zu begleiten.

Anheizen des Nationalismus

Wie immer wird der Nationale Volkskongress dem Volk in China als Riesenerfolg verkauft, obwohl die angekündigten Maßnahmen zur Belebung der Wirtschaft nicht wirklich überzeugen und nur sehr vage blieben. Die Staatsführung war bemüht, trotz der Pandemie-bedingten Verschiebung des Plenums Normalität zu demonstrieren, um jeden Zweifel über mögliche Fehler und Führungsschwäche zu ersticken.

Flankiert vom harten Eingriff in Hongkongs Autonomiestatus und dem Streit den USA um die Frage, woher das Coronavirus stammt, heizt die KPCh den Nationalismus an. So will man den Menschen in China die Botschaft unterjubeln, dass eine starke Parteiführung auch in Krisenzeiten den richtigen Weg weise. Darüber hinaus bietet das chaotische Krisenmanagement des Rivalen USA im Jahr der Präsidentschaftswahlen jeden Tag neue Steilvorlage, so dass die KPCh selbstbewusst behaupten kann, sie regiere besser.

'Regierungswechsel' bleibt ein Fremdwort

Allerdings ist die Pekinger Strategie kurzsichtig. Denn die Pandemie geht vorbei, die struktur- und systembedingten Probleme der chinesischen Volkswirtschaft aber bleiben. Und auch die USA werden früher oder später einen neuen Präsidenten wählen. Wer von welcher Partei dann aber ins Weiße Haus zieht, weiß man im Gegensatz zu China noch nicht . Denn 'Regierungswechsel' bleibt für KP-Kader eben ein Fremdwort.

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