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Politik

Der Kampf um den Rechtsstaat ist noch nicht verloren

Schwartz Robert Kommentarbild App
Robert Schwartz
6. Februar 2017

Seit Tagen protestieren Hunderttausende in Rumänien gegen den Versuch der Regierung, den Kampf gegen Korruption zu verwässern. Nur ein Rücktritt des gesamten Kabinetts kann die Lage entspannen, meint Robert Schwartz.

Bild: DW/D. Cupolo

Eine halbe Million friedlich protestierender Menschen - so etwas hat es seit dem Sturz des kommunistischen Diktators Ceausescu vor 27 Jahren nicht mehr gegeben. Die rumänische Zivilgesellschaft hat am Samstag einen Teilsieg errungen, doch die Zeichen stehen weiter auf Sturm.

Premierminister Sorin Grindeanu und sein Parteichef Liviu Dragnea, Parlamentspräsident und der eigentliche Strippenzieher hinter dem Kabinett, sind unwiderruflich kompromittiert. Der Versuch, dem bereits wegen Wahlmanipulation vorverurteilten Dragnea für das laufende Verfahren wegen Amtsmissbrauchs einen Persilschein auszustellen, ist kläglich gescheitert. Dragnea, das ist damit klar, kann also auch weiterhin nicht Regierungschef werden - eben weil er vorbestraft ist und bleibt. Und dennoch versucht er zusammen mit Partei- und Regierungskollegen, aber auch mit dem Chef des pseudoliberalen Partners ALDE, dem Senatspräsidenten Calin Popescu Tariceanu, mit allen Mitteln die Demonstranten zu verunglimpfen. In "befreundeten" TV-Sendern wird über eine internationale Verschwörung schwadroniert und Präsident Klaus Iohannis persönlich für die Proteste verantwortlich gemacht.

Der Präsident an der Seite der Demonstranten

Der liberal-konservative Iohannis hatte gegen die Eilverordnung Beschwerde beim Verfassungsgericht eingereicht und sich damit auf die Seite der Zivilgesellschaft gestellt. Von seinen Gegnern wird er deshaln nun  - wie schon im Wahlkampf - als "fremdes", "nicht-rumänisches" Element verteufelt. Er gehört der deutschen Minderheit in Rumänien an und ist, anders als die orthodoxe Mehrheitsbevölkerung, evangelisch-lutherisch. Anhänger der Sozialdemokraten, perfekt manipuliert von der strategischen medialen Plattform der PSD, sehen in Iohannis nun einen Landesverräter, der angeblich von Angela Merkel ferngesteuert wird. Sogar Vergleiche  mit Adolf Hitler werden laut!

Robert Schwartz leitet die Rumänische Redaktion der DW

Finanziert werden soll diese internationale Verschwörung gegen Rumänien aus der Sicht des Regierungslagers vom amerikanischen Milliardär George Soros, dessen ungarisch-jüdische Herkunft perfekt ins absurde Bild passt. Völlig verantwortungslos sprechen Dragnea, Tariceanu & Co. von regionalpolitischen Interessen, die eine Spaltung Rumäniens zum Ziel hätten, und erwähnen in diesem Kontext Ungarn und die Republik Moldau. Den Botschaftern aus den Partnerstaaten der EU und aus den USA, die das Vorgehen der Regierung kritisiert haben, wird Einmischung in die inneren Angelegenheiten vorgeworfen. Rumänien, so der Tenor der PSD-ALDE-Koalition, müsse sich auf seine nationalen Werte zurück besinnen und sich nicht vom Ausland, also von EU und NATO, gängeln lassen. Diese schrillen Töne und vor allem die Wucht, mit der sie von rumänischen Spitzenpolitikern vorgetragen werden, sind erstmals seit dem NATO- und EU-Beitritt (2004 beziehungsweise 2007) des Landes zu hören.

Was sich in diesen Tagen in Bukarest und ganz Rumänien abspielt, ist die logische Folge einer völlig verfehlten Politik der neuen Regierung: Kaum einen Monat im Amt hat die Koalition aus Sozialdemokraten und der vorgeblich liberalen Splitterpartei ALDE ihr Kapital nach dem fulminanten Wahlsieg im vergangenen Dezember total verspielt. Jetzt geht es um Schadensbegrenzung - und das wird gar nicht so einfach. Der Vertrauensverlust der Regierungsmannschaft ist riesig und wird durch die Rücknahme der umstrittenen Eilverordnung, die den Kampf gegen Korruption und Amtsmissbrauch weitestgehend unmöglich gemacht hätte, nicht geringer. Im Gegenteil: Die Ankündigung des Justizministers, einen neuen Gesetzentwurf zur Änderung des Strafgesetzes vorzuschlagen, und der darauffolgende Rückzug dieser Ankündigung sind nicht angetan, das Vertrauen in eine Regierung zu stärken, die sich offensichtlich gegen den Rechtsstaat gestellt hat.

Ein Kabinett ohne jedes Vertrauen im Volk

Eine langfristige politische Krise kann sich das Land nicht leisten. Das müssten eigentlich auch die Regierenden wissen. Die jetzige Mannschaft hat ihre Legitimität vollständig verloren. Wer, wie Dragnea in einem Interview mit dem Schweizer Rundfunk, den Kampf gegen Korruption als "Bullshit" bezeichnet, hat nichts an der Spitze eines EU-Staates zu suchen.

Zum Glück gibt es in der PSD jüngere Reformpolitiker, die sich von der arroganten Haltung ihres Chefs distanzieren und die Zivilgesellschaft unterstützen. Parteiintern, so hört man, hat das große Stechen schon begonnen. Irgendwie erinnern nicht nur die Massenproteste an die politische Wende von 1989. Sollte die PSD ihren Wahlsieg noch irgendwie retten wollen, müsste sie den Rücktritt der Regierung anbieten und eine völlig neue Mannschaft präsentieren. Für Dienstag hat Präsident Iohannis eine Rede im Parlament angekündigt. Der Kampf um den Rechtsstaat in Rumänien geht in die nächste Runde.

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