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Politik

Der letzte leichte Sieg des ANC

10. Mai 2019

Kein Erdrutsch-Ergebnis bei der Wahl in Südafrika. Aber die Wahlbeteiligung sinkt - besonders dramatisch bei der Jugend. Der bisher dominante ANC hat nur noch eine Bewährungsfrist, meint Claus Stäcker.

ANC-Chef und Staatspräsident Cyril Ramaphosa ist noch einmal mit einem blauen Auge davon gekommenBild: Getty Images/AFP/M. Spatari

25 Jahre nach dem Ende der Apartheid scheint in Südafrika alles beim Alten. Die Opposition moniert und der Afrikanische Nationalkongress regiert. Trotz leidenschaftlichen Wahlkampfs gerade der liberalen Demokratischen Allianz (DA) und der linkspopulistischen Ökonomischen Freiheitskämpfer (EFF) sind tektonische Verschiebungen ausgeblieben. Das Wahlergebnis bewegt sich im Rahmen der Prognosen: Der ANC hat Stimmen verloren, aber nicht so dramatisch wie man hätte erwarten können. Parallel haben weder die DA noch die EFF so stark vom massiven Versagen der Regierungspartei profitiert, wie man das hätte vermuten können. Die EFF ist nicht durchgestartet als Protestpartei, die DA hat sogar Stimmen verloren. Die Zeitenwende ist ausgeblieben.

Im Parlament bleibt alles wie bisher: Die Salonrevoluzzer der EFF werden in ihren albernen, aber propagandistisch wirksamen roten Overalls Druck von links außen machen und dabei auch nicht vor rassistischen Tönen gegen die weiße Minderheit zurückschrecken. Die "wirtschaftliche Freiheit", die sie im Namen tragen, beschränkt sich auf Umverteilung und Beschränkung unternehmerischer Freiheiten. Gemeint ist ein Sozialismus nach venezolanischer Art - getrieben von Emotionen und frei von ökonomischer Sachkenntnis.

Der ANC - sozialistisch und liberal zugleich

Die geschmeidigen Wirtschaftsliberalen der DA dagegen werden weiter den wirtschaftspolitischen Verstand exklusiv für sich reklamieren. Sie werden vermeiden, Unternehmer und weiße Stammwähler zu verprellen und daher die riesigen sozialen Probleme kleinreden, die aus vier Jahrhunderten weißer Vorherrschaft und Arroganz herrühren. Dabei sind genau diese Fragen für eine Bevölkerungsmehrheit bis heute lebensbestimmend. Und Südafrika hat nach Mandela noch kein Rezept gefunden, sie zu lösen.  

Claus Stäcker leitet die Afrika-Programme der DW

Dazwischen agiert ein lädierter und korrumpierter ANC, der in seinem patriotischen Verständnis sozialistisch und liberal zugleich sein will. Der unvereinbare Flügel zu vereinen sucht: Washington und Peking in einem will man sein, zugleich Schwarz und Weiß, Ramaphosa und Zuma, aufrecht und korrupt, radikal und liberal - eine Sammelbewegung, die für die Wähler programmlich kaum noch zu verorten ist. Aber immer noch von der Vergangenheit zehrt. Ein ANC, der mit der moralischen Arroganz vieler ehemaliger Befreiungsbewegungen einen dauerhaften Regierungsanspruch für sich ableitete. Der wie selbstverständlich davon ausgeht, dass ihm die Wähler wieder und wieder bei den inneren Reformversuchen zuschauen. Ein ANC, der mit dem Erbe Mandelas hausiert, und Wahl für Wahl neue Zeit kauft - und sie wieder vergeudet. 

Das wird nicht mehr lange gut gehen. Am deutlichsten zeigt sich die geänderte Stimmung an der Zahl der Nichtwähler. Die Wahlbeteiligung war mit etwas über 60 Prozent die niedrigste aller sechs freien Wahlen seit 1994. Die jungen Leute sind so desillusioniert, dass sie gar nicht erst an die Wahlurnen gehen. Nicht mal jeder fünfte junge Wähler hat sein Wahlrecht wahrgenommen. Diese Apathie sagt viel aus.

Niemand kann die Jugend mobilisieren

Keine Partei hat die Mehrheit der Jugend überzeugt. Es fehlt weiterhin eine dynamische, moderne und konsensfähige oppositionelle Kraft, die mit vernünftigem Programm und heißem Herzen die jungen Bürger Südafrikas mobilisiert. Die Opposition hat einmal mehr fünf Jahre Zeit bekommen, ihr Profil zu schärfen.

Doch die Zeit der Selbstverständlichkeiten geht vorüber. Das war der letzte leichte Sieg des ANC. Partei- und Staatspräsident Cyril Ramaphosa ist mit einem blauen Auge davon gekommen. Es ist eine Amtszeit auf Bewährung. Ein Kredit, den er binnen fünf Jahren zurückzahlen muss. Dieser Vorschuss ist schnell aufgebracht, wenn es ihm nicht gelingt, glaubhaft Partei und Staat aufzuräumen, die in den vergangenen 25 Jahren eine Einheit bildeten. Er muss die kriminellen Hinterlassenschaften seines Vorgängers Jacob Zuma radikal aufklären und korrigieren - bis hin zum Parteiausschluss. Er muss Banken, Börsen und Investoren überzeugen und zugleich den Kampf gegen die soziale Kluft aufnehmen. Gelingt ihm das, könnte er zum Präsidenten der Herzen werden. Wenn nicht, aber auch zur Verlängerung des Gewohnten. Denn auch der ANC wird längst als Partei der Alten wahrgenommen. Es ist Zeit für Alternativen. Neun Millionen Nichtwähler haben sie noch nicht gefunden. Aber sie halten die Zukunft in den Händen.

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