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Politik

Sechs Fraktionen, sechs Beobachtungen

Thurau Jens Kommentarbild App
Jens Thurau
24. Oktober 2017

Das neugewählte Parlament hat seine Arbeit begonnen. Mit sechs Fraktionen, so eng wie noch nie. Ein Kommentar von Jens Thuraus mit Beobachtungen von der ersten Sitzung des neuen Bundestages - eine für jede Fraktion.

Beobachtung Nummer Eins: Es ist eng und voll im neuen Bundestag. Richtig eng. Als der AfD-Abgeordnete Baumann sich erregt an die neben ihm sitzenden FDP-Politiker wendet, können die ihn kaum ignorieren. Viel mehr als zuletzt reagieren die Abgeordneten aufeinander. Die Enge im Parlament, von vielen zuvor beklagt, könnte sich nochmal als Segen erweisen.

Endlich wieder Klartext

Beobachtung Nummer Zwei: Es wird Klartext geredet. Von Anfang an. Alterspräsident Solms von der FDP will, dass der Bundestag wieder das Zentrum wird der Debatten, nicht die sozialen Medien mit ihren Überzeichnungen. Verantwortung: Dieses Wort benutzt er oft. Andere Redner tun das auch. Offen sprechen sie an, dass viele Diskussionen, die die Menschen bewegt haben zuletzt, überall geführt wurden, nur nicht hier, im Plenarsaal des Bundestages. Gut so, wenn alle das ändern wollen, jetzt müssen sie es vier Jahre lang beherzigen.

Hurra, eine Opposition….

Jens Thurau ist Korrespondent im Hauptstadtstudio

Beobachtung Nummer Drei: Hurra, es gibt wieder eine Opposition. Nach einer lähmenden Zeit der Großen Koalition mit ihrer Riesen-Mehrheit und der Machtlosigkeit der wenigen, die nicht mitregierten. Jetzt wirft Carsten Schneider von der SPD der Kanzlerin vor, Schuld zu sein am Aufstieg der rechts-populistischen AfD. Und er fordert, dass die Kanzlerin sich künftig vier Mal im Jahr im Parlament den Fragen der Abgeordneten stellt. Und sich nicht mehr nur, wenn überhaupt, in sorgfältig inszenierten TV-Interviews äußert, deren Inhalt und Zeitpunkt sie bestimmt. Das wurde erstmal vertagt, war vielleicht auch etwas frech, das gleich in der ersten Sitzung laut zu wollen, nach vier Jahren neben eben dieser Kanzlerin auf der Regierungsbank. Aber es ist gut möglich, dass das demnächst so beschlossen wird. Auch das: Gut so.

...aber ob das Angela Merkel gefällt?      

Überhaupt, Beobachtung Nummer Vier: Die Kanzlerin. Sie nahm nicht auf der Regierungsbank Platz, natürlich nicht bei der Konstituierung. Aber es hatte etwas Symbolisches, wie sie da in der Reihen ihrer CDU saß und schwieg. Es wird kaum noch so weitergehen können mit den vielen drögen Regierungserklärungen, mit der Taktik, die eigentliche Politik wohl dosiert von ihren Parteifreunden erklären zu lassen. Die Kanzlerin muss mehr als bisher Farbe bekennen. Vielleicht muss sie, wenn alles gut geht, bald eine Koalition aus vier Parteien führen. Mit der Betonung auf "führen". Ob sie das kann? Wir werden es sehen. Neuland ist es für die Frau, die seit zwölf Jahren oft genug quasi im Verborgenen regiert hat, auf jeden Fall.

Schäuble setzt den richtigen Rahmen…

Beobachtung Nummer Fünf: Wolfgang Schäuble, der neue Bundestagspräsident. Spricht von neuen Chancen, aber auch von Grenzen, die man dann aber auch klar erklären muss. Davon, dass Einzelinteressen nicht "exzessiv" werden dürfen. Ausgleich von Interessen also, mit Maß und Mitte. Und am Ende, so Schäuble, muss dann eine Mehrheit beschließen, die danach nicht denunziert werden dürfte. Verächtlichmachung und Erniedrigung habe es zuletzt gegeben und einen Mangel an zivilisiertem Miteinander. Das alles ganz klar mit Blickrichtung AfD. Und er betont, dass Deutschland alle Lösungen im internationalen Rahmen suchen müsse, sich nicht abschotten darf, sie selbst finden muss in der Weltgemeinschaft.

…und na klar: Die AfD ist da, endgültig

Und, nein, nicht vergessen, Beobachtung Nummer Sechs, aber bewusst ganz zuletzt: Die AfD ist da. Fällt durch mit ihrem Kandidaten für den Vize-Präsidenten des Parlaments. Wie erwartet. Klatscht mal hier und mal da, stimmt bei einigen Geschäftsordnungsanträgen mit der SPD und den Linken. Sie werden scharfe Töne anschlagen, die Rechtspopulisten - soviel steht fest. Aber die anderen Fraktionen scheinen sich schon jetzt darauf einzustellen. Es wird ein anderer Bundestag werden. Ein unterhaltsamerer hoffentlich, und einer, der das schafft, was so viele bei dieser ersten Sitzung gefordert haben: Das, was die Menschen bewegt und sie diskutieren, hierher zurückzuholen, an der Platz der Republik 1, in 11011 Berlin.

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