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Politik

Eine falsche Botschaft aus falschen Gründen

25. Februar 2018

Der EU-Kommissionspräsident besucht in den kommenden Tagen die sechs Westbalkanstaaten, um über die Perspektive einer EU-Mitgliedschaft zu sprechen. Jean-Claude Juncker sollte zurückhaltender sein, meint Zoran Arbutina.

Bild: picture-alliance/dpa/B. von Jutrczenka

Die Angstkarte zieht immer. Wenn man eine Gefahr nur groß genug an die Wand malt, ist fast alles durchsetzbar - egal ob es um die faktische Abschaffung des Asylrechts durch eine willkürlich festgelegte Obergrenze geht, oder um eine neue EU-Erweiterungsrunde um die sechs Westbalkanstaaten. Denn sobald Angst im Spiel ist, spielen Argumente keine Rolle mehr.

Und bei der geplanten Aufnahme von Montenegro, Serbien, dem Kosovo, Albanien, Bosnien-Herzegowina und Mazedonien in die EU geht es vor allem um Ängste. Zum einen wird vor dem wirtschaftlichen und politischen Einfluss der Russen, Chinesen und Saudis im europäischen Vorzimmer gewarnt. Zum anderen gibt es Gefahren, die in diesen Gesellschaften beheimatet sind und auf den Rest Europas ausstrahlen: weit verbreiteten Nationalismus und Populismus, allgegenwärtige Korruption, organisierte Kriminalität.

Erweiterung als das kleinere Übel

Und weil das alles so gefährlich für die Union ist, scheint die Schlussfolgerung von EU-Erweiterungskommissar Johannes Hahn alternativlos: "Wir haben die Wahl, Stabilität zu exportieren oder Instabilität zu importieren."

Hahn und alle anderen Befürworter einer Aufnahme der Westbalkanländer in die EU sprechen nicht davon, dass dieser Schritt der Union etwas positives bringen, sie bereichern oder gar weiter bringen würde. Nein, die angestrebte Erweiterung ist allein negativ motiviert: als das kleinere Übel, als Eindämmung von Gefahren, als Schadensbegrenzung.

Weil aber allen klar ist, dass keines der sechs Länder zurzeit auch nur annähernd die Bedingungen für eine EU-Mitgliedschaft erfüllt, bedient man sich einer altbekannten, tröstenden Floskel: Der Beitrittsprozess soll Anreiz für politische und wirtschaftliche Reformen sein. Mit anderen Worten: Die Beitrittsverhandlungen können nur Fortschritte machen, wenn es auch Fortschritte in den Ländern gibt.

DW-Autor Zoran Arbutina

Die bisherigen Erfahrungen mit EU-Erweiterungen im Osten zeigen aber, dass das bloß ein frommer Wunsch war. Ob Kroatien oder Rumänien, ob Bulgarien oder Ungarn: Alle diese Länder waren zum Zeitpunkt ihrer Aufnahme in die EU nicht bereit hierfür und haben auch als EU-Mitglieder keinen substanziellen Fortschritt gemacht. Sie haben im Laufe der Beitrittsverhandlungen zwar einige Gesetze verabschiedet, wie es von ihnen verlangt wurde, und haben etwa Antikorruptionsagenturen gegründet. Verinnerlicht wurde aber nichts davon: Nach wie vor gilt Vetternwirtschaft als Teil der Tradition, ist Korruption allgegenwärtig und hat man überall mit unfertigen und mehr schlecht als recht funktionierenden demokratischen Strukturen zu tun.

Auch mit den sechs Westbalkanländern wird das nicht anders sein. Durch die jetzige Ankündigung einer EU-Mitgliedschaft in nicht all zu ferner Zukunft wurden die herrschenden Eliten auf der internationalen Bühne bestätigt und dadurch zu Hause weiter gestärkt. Sie sitzen jetzt noch fester im Sattel und werden nicht so bald die Macht abgeben.

Nur Kosmetik, keine Überzeugungen

Das beste Beispiel dafür ist der serbische Präsident Aleksandar Vucic. Er versteht es hervorragend, die russische oder die chinesische Angstkarte zu spielen. Gleichzeitig präsentiert er sich als modern, pragmatisch und europaorientiert. Dafür wird er in Brüssel wie in Berlin als ultimativer Stabilitätsfaktor auf dem Balkan hofiert, sein autokratischer Regierungsstil, die Gängelung der Opposition und die Gleichschaltung der Presse hingegen ignoriert und toleriert. Nun wurde für Serbien sogar ein mögliches EU-Beitrittsjahr genannt – 2025. Vucic ist jetzt stärker denn je. Und er ist noch jung: Es sieht alles danach aus, dass Vucic auch derjenige sein wird, der die Beitrittsurkunde unterschreibt.

Ausnahmslos alle Westbalkanländer wollen in die EU. Vor allem die herrschenden Eliten erhoffen sich dadurch finanzielle Hilfe, mit der sie ihre eigene Untätigkeit und Unfähigkeit kaschieren können. Sie werden dafür notgedrungen die nationalen Gesetzgebungen den EU-Anforderungen anpassen, sie werden die eine oder die andere kosmetische Korrektur an der Fassade ihrer Gesellschaften vornehmen. Aber die Machtstrukturen werden sie nicht ändern, denn dann müssten sie abtreten. Und das ist nicht zu erwarten.

In Zukunft gerne - aber aus eigener Kraft

Für die EU bedeutet das aber noch mehr Probleme, noch kompliziertere Strukturen, noch mehr Dissens und - anders als beabsichtigt - noch mehr Instabilität, diesmal von innen.

Deswegen wäre Brüssel besser beraten, den Westbalkanländern nicht gleich die volle Mitgliedschaft anzubieten, sondern zunächst eine gemeinsame Handelszone oder eine privilegierte Partnerschaft anzustreben. Es muss eine Form der Zusammenarbeit gefunden werden, welche die wirtschaftlich schwachen Länder einerseits schützt und andererseits die Entwicklung einer demokratischen Zivilgesellschaft fördert. Aber eben außerhalb der EU.

Und falls diese Länder dann eines Tages tatsächlich aus eigener Überzeugung stabile demokratische Strukturen auf der Grundlage der Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit aufgebaut haben, kann man auch über einer EU-Mitgliedschaft sprechen. Dann als gleichberechtigte Partner, auf Augenhöhe. Das wäre dann ein echter Gewinn für alle.

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