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Politik

Abkehr vom Modell Orbán

Porträt eines lächelnden Mannes mit Brille und blonden Locken
Keno Verseck
31. März 2019

Zuzana Caputova wurde mit großer Mehrheit zur neuen Präsidentin der Slowakei gewählt. Die Wahl zeigt einen bislang kaum beachteten Trend in der Region: den Wunsch nach einem Ende von Populismus und Demagogie.

Bild: picture-alliance/dpa/M. Svítok

Noch vor einigen Monaten war sie den meisten ihrer Landsleute unbekannt. Als sie zu Jahresanfang in den Umfragen aufstieg, begannen Regierungspolitiker sie zu verunglimpfen: als "Kandidatin mit nicht normaler Orientierung", "extremistische Liberale", "Produkt von Medienmarketing" und "unerfahrenes Mädchen". Doch nun hat sie es tatsächlich geschafft: Die 45 Jahre alte Rechtsanwältin, Bürgeraktivistin und politische Quereinsteigerin Zuzana Caputova ist zur neuen Staatspräsidentin der Slowakei, gewählt worden. Sie steht damit als erste Frau an der Spitze ihres Landes.

Ein Jahr nach dem Mord an dem Investigativjournalisten Ján Kuciak und seiner Verlobten Martina Kusnírová ist ihr Wahlsieg ein eindeutiges Signal, dass die überwältigende Mehrheit der Menschen in der Slowakei einen grundlegenden Wandel zu einem "anständigen Land" fordert, wie ein Leitspruch ziviler Aktivisten lautet. Das zeigt auch das Ergebnis: Zuzana Caputova gewann etwa 60 Prozent der Stimmen und lang damit rund 20 Prozentpunkte vor ihrem Kontrahenten Maros Sefcovic, dem EU-Kommissar für die Energieunion.

Botschaft an die Minderheiten

Berichtet seit vielen Jahren aus der Slowakei: DW-Reporter Keno VerseckBild: DW

Zuzana Caputova bedankte sich bei ihren Wählern, wie schon nach der ersten Runde vor zwei Wochen, nicht nur in Slowakisch, sondern auch in den Minderheitensprachen des Landes, darunter in Ungarisch und Romani, der Sprache der Roma – ein absolutes Novum in der slowakischen Politik. Und sie kommentierte ihren Wahlsieg bescheiden, ohne triumphale Rhetorik. Sie sei froh, dass sie auf eine Weise gewonnen habe, die viele in der politischen Arena für unmöglich gehalten hätten – ohne aggressive Rhetorik, ohne verbale Schläge unter die Gürtellinie und vor allem ohne Rückgriff auf Populismus.

Die neue slowakische Staatspräsidentin ist damit ein klarer Gegenentwurf zu den zahlreichen populistisch-demagogisch-nationalistischen Politikern der Region, für die beispielhaft Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán steht. Sie ist jedoch damit nicht die erste derartige Politikerin, sondern verkörpert vielmehr einen Trend, der außerhalb Mittel- und Südosteuropas, zum Teil aber auch in den Ländern der Region selbst häufig übersehen wird.

Rückenwind für Linksliberale?

Zuzana Caputova vertritt die so genannte Progressive Politik, eine links-liberale Reformpolitik, deren Anhänger in einigen Ländern Mittel- und Südosteuropas seit geraumer Zeit versuchen, sich zu formieren und breitere Unterstützung zu finden. Sie plädieren nicht nur, wie die klassischen politischen Liberalen, für mehr Rechtsstaatlichkeit, Transparenz und gute Regierungsführung, sondern vor allem auch für mehr soziale Gerechtigkeit und umfassende gesellschaftliche Solidarität. Letztere sind Themen, die in der Region in den vergangenen drei Jahrzehnten viel zu kurz kamen, nach denen es jedoch eine große Nachfrage gibt: Umfragen aus den meisten Ländern der Region zeigen, dass viele Menschen nicht Migration oder eine vermeintlich imperial agierende EU für die größten Probleme halten, so wie es Demagogen wie Orbán suggerieren, sondern Korruption der Machthaber, Misswirtschaft und schlechte Sozialpolitik.

Mit ihrer Wahl zur Staatspräsidentin ist Zuzana Caputova zum bisher prominentesten Beispiel progressiver Politik in der Region geworden. Als Rechtsanwältin und Bürgeraktivistin hat sie im Kampf gegen eine mafiotische Politik bereits einen langem Atem gezeigt. Und sie hat in ihrer Wahlkampagne bewiesen, wie sehr sie für ihre Agenda mobilisieren kann. Mit ihrem Amt sind zwar nicht sehr viele Befugnisse verbunden. Doch Caputovas Stimme wird in der Slowakei ein starkes Gewicht haben. Wenn es der neuen Staatspräsidentin gelingt, auch nur einen Teil ihrer politischen und sozialen Vorhaben umzusetzen, wäre das ein nicht zu unterschätzendes Signal für die ganze Region und könnte eine Wende einleiten – die Abkehr vom Modell Orbán.

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