Der Zentralbank-Blues
9. März 2015Heute hat die Europäische Zentralbank mit dem lange angekündigten Kauf von Anleihen der öffentlichen Hand, im Fachjargon "Quantitative Easing" genannt, begonnen. Jeden Monat möchte sie 60 Milliarden Euro in das Bankensystem pumpen, und das bis September 2016, was auf rund eine Billion Euro hinausläuft. Sie begründet den Kauf von Anleihen damit, dass sie über eine Ankurbelung der Konjunktur die derzeit niedrige Inflation wieder auf ihr angestrebtes Ziel von knapp zwei Prozent steigen lassen will.
Sie selbst rechnet offenbar mit einem Erfolg ihrer Maßnahmen. So hat sie am Donnerstag (05.03.2015) nach der Sitzung des Zentralbankrates auf Zypern ihre Projektionen für das Wirtschaftswachstum und die Inflation im Euroraum deutlich angehoben: Die Inflationsrate soll statt eines bisher angenommenen Stillstandes im laufenden Jahr immerhin einen Anstieg um 0,7 Prozent aufweisen, das Wirtschaftswachstum soll sich von 1,0 auf 1,5 Prozent beschleunigen - was ein wenig an das berühmte Pfeifen im Wald erinnert.
Wer will das Geld der EZB?
Denn es sind erhebliche Zweifel angebracht, ob die EZB tatsächlich ihre Ziele erreichen wird, oder ob sie nicht vielmehr Effekte in Kauf nimmt, die eine strukturelle Erholung der Eurozone nicht einfacher, sondern schwerer machen. Zunächst einmal bezweifeln viele Beobachter, dass die EZB ihr schönes Geld überhaupt los wird - mangels Angebot. Denn Staatsanleihen dürften - insbesondere aus den Kernländern der Währungsunion - bald knapp werden, weil heimische Banken und Versicherungen sowie ausländische Zentralbanken wenige Anreiz haben, Anleihen an die EZB zu verkaufen - besonders die alten Anleihen mit den langen Laufzeiten, die noch auskömmlich verzinst wurden.
Zudem bezweifeln Fachleute, ob eine Zentralbank mit einer Geldschwemme überhaupt einen konjunkturellen Impuls erzeugen kann. Die Banken werden, wenn überhaupt, das Geld gerne annehmen, aber vermutlich nicht in Form von Krediten an die Unternehmen und privaten Haushalte weiterreichen - unter anderem, weil die Banken höhere Eigenkapitalquoten erreichen müssen und viele potentielle Kreditnehmer bereits zu hoch verschuldet sind.
Güter aus dem Euro-Raum werden billiger
Außerdem werden viele Banken die durch die angekündigten EZB-Anleihekäufe gesunkenen Marktzinsen nicht in Form niedrigerer Kreditzinsen an ihre Kunden weitergeben, weil in Ländern wie Italien oder Spanien weit mehr als zehn Prozent aller Kredite faul sind.
Etwas anderes könnte der EZB jedoch zu Hilfe kommen, ohne dass sie etwas dafür kann: Der durch die angekündigten Anleihekäufe abgewertete Euro macht die im Euroraum hergestellten Güter aus Sicht von Kunden aus Amerika oder Asien günstiger und erhöht damit die Exporte des Euroraums. Die Euro-Abwertung ist zusammen mit dem gefallenen Ölpreis der Hauptgrund, warum die konjunkturellen Frühindikatoren zuletzt positiv überrascht haben und Volkswirte reihenweise ihre Wachstumsprognosen leicht angehoben haben. Doch das ändert leider nur wenig daran, dass die hohe Arbeitslosenquote im Euroraum von zuletzt 11,2 Prozent nur quälend langsam sinken wird.
Strukturreformen bleiben weiter notwendig
Und damit kommen wir zu den kontraproduktiven Effekten dieser Geldschwemme. So ist unter anderem zu befürchten, dass die zusätzliche Liquidität in die Finanzmärkte fließt und dort die Gefahr von Preisblasen, falschen Risikobewertungen und fehlgelenkten Investitionen erhöht. Auch das Risiko von Währungsturbulenzen und Abwertungswettläufen wird zunehmen. Wer diese Risiken sieht, wird sich vermutlich mit seinen Investitionen zurückhalten. Und die sind im Euroraum ohnehin zurzeit der größte Schwachpunkt.
Es könnte aber alles noch schlimmer kommen. Nämlich dann, wenn die Euro-Staaten der Illusion erliegen, das Aufkaufprogramm reiche aus, um die Konjunktur in Euroland wieder auf Vordermann zu bringen, weshalb man bei den wirtschaftlichen Reformen die Hände in den Schoß legen könne. Die strukturellen Wirtschaftsprobleme im Süden der Euro-Zone, die mangelnde internationale Wettbewerbsfähigkeit, die minimalen Wachstumsraten, die hohe Abgabenbelastung und eine aufgeblähte Staatsverwaltung - das alles lässt sich nicht durch eine expansive Geldpolitik beheben. Ohne zusätzliche Wirtschaftsreformen - gerade in den großen Kernländern Frankreich und Italien - wird die EZB bald ihr letztes Pulver verschossen haben, ohne dass sie auch nur ein einziges ihrer Ziele erreicht hat.