Deutschland ist beim Klimaschutz kein Vorreiter mehr und im globalen Vergleich nur Mittelmaß. Unter Kanzlerin Angela Merkel wurden viele Chancen verpasst. Deutschland braucht eine neue, mutige Politik, meint Gero Rueter.
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Wie konnte das passieren? Vor gut zehn Jahren war Deutschland noch Pionier bei den erneuerbaren Energien, bei der Windkraft, bei Biogasanlagen und auch in der Photovoltaik. Die Branche boomte, und die Aussichten waren gut, mit Hilfe dieser Techniken nicht nur die deutschen Klimaziele zu erfüllen.
Es besteht die Möglichkeit, die Erderwärmung auf unter 1,5 Grad zu halten, und Deutschland kennt viele dieser Techniken sehr gut. Dass diese in Deutschland bisher nicht ausreichend eingesetzt werden, liegt am starken Widerstand der fossilen Energiewirtschaft. Diese befürchtet sinkende Profite und wehrt sich deshalb mit allen Mitteln gegen den Ausbau von erneuerbaren Energien und eine zukunftsweisende Klimapolitik.
Bisher war dieser Lobbyismus überaus erfolgreich. Der Ausbau der Erneuerbaren wurde in Deutschland unter der Regierung Merkel erheblich abgebremst und eingeschränkt: Die einst großen deutschen Solarfirmen gingen alle pleite, und mit der klimaschädlichen Braunkohle wird weiter so viel Strom produziert wie zuvor.
Energiewende stockt
Derzeit liegt der Anteil der erneuerbaren Energien an der deutschen Stromversorgung bei rund 40 Prozent. Ohne Interventionen der fossilen Wirtschaft und den so verursachten Bremseffekten läge dieser Anteil aber heute bei über 55 Prozent, und eine Stromversorgung zu 100 Prozent aus Erneuerbaren wäre bis 2030 auch im Industrieland Deutschland in Sicht.
Die deutschen Klimaziele hätten also ohne große Probleme erreicht werden können, das Ansehen als Klimavorreiter wäre nicht ramponiert, und die Solarwirtschaft wäre auch in Deutschland eine bedeutende Industrie.
Nun kam alles anders. Die Regierung Merkel und die etablierten Parteien (Union, SPD und FDP) sind traditionell eng verbunden mit der fossilen Industrie. Das Verhalten der deutschen Politik im Dieselskandal ist ein Ausdruck dieser Verflechtungen. Trotz Abgas-Manipulationen wird die Autoindustrie weiter geschützt, und dies, obwohl die Bestimmungen für Gesundheits- und Klimaschutz massiv verletzt werden und die Interessen von Autokäufern ebenso.
Eine von der fossilen Wirtschaft abhängige Politik ist auch in vielen anderen Ländern auf der Welt zu beobachten. Besonders in den USA, Russland, Australien und Saudi Arabien werden die Gefahren durch den Klimawandel weitgehend ignoriert und sind kein Maßstab für Entscheidungen in der Politik.
Wähler mit Weitblick
Wir wollen alle ein gutes Leben auf diesem Planeten und dies auch für unsere Enkel. Die Technik für eine saubere Energieversorgung ist schon da. Bis 2040 könnten viele Länder auf der Welt aus Kohle, Öl und Gas aussteigen und ihren Energiebedarf komplett mit erneuerbaren Energien decken. In der Summe würden dann sogar mehr Jobs in der Energiewirtschaft entstehen, Geld gespart und die Lebensqualität erhöht.
Bisher fehlt es in der Politik allerdings oft am Willen für die Umsetzung. Es fehlt der Wille und der Mut, mit den alten Seilschaften zu brechen und der Mut zur Ehrlichkeit, dass ein ‘weiter so‘ nicht mehr lange gut gehen kann. Wir sollten deshalb zukünftig nur noch Politiker wählen, die wirklich unabhängig von der fossilen Wirtschaft sind. Gebraucht werden Politiker mit Weitblick für kommende Generationen.
Bei Wahlen sollte möglichst jeder auch die Interessen der Enkel bei der Entscheidung mit berücksichtigen. Würde so gewählt, hätten wir bald Politiker mit Weitblick an der Macht.
Aber auch beim Kauf von Produkten oder Reisen können wir enkelgerecht entscheiden. Und wenn das viele tun, dann verändert sich die Wirtschaft und Politik viel schneller als gedacht - und dies nicht nur in Deutschland.
Was kann man für den Klimaschutz tun?
Drei Viertel aller globalen Treibhausgase entstehen bei der Verbrennung von Kohle, Öl und Gas, ein Viertel durch Landwirtschaft und Abholzung. Wie kann man Klimagase vermeiden? Was kann jeder tun? Wir geben 10 Tipps.
Bild: picture-alliance/dpa
1. Raus aus Kohle, Öl und Gas
Die meisten Klimagase kommen aus Kraftwerken, Industrie und dem Verkehr. Das Heizen von Gebäuden verursacht ein Viertel der globalen Treibhausgasemissionen. Wer Energie effizient nutzt und Kohle, Öl und Gas durch erneuerbare Energien ersetzt, schützt das Klima.
Bild: picture-alliance/dpa
2. Sauberen Strom selbst erzeugen
Strom muss inzwischen nicht mehr aus Kohle-, Öl- und Gaskraftwerken kommen. Es gibt Alternativen - und die sind inzwischen sogar meist deutlich preiswerter. Strom lässt sich leicht selber produzieren und auch mehr als man selbst braucht. Auf den Dächern gibt es für Solarmodule viel Platz, die Technik ist etabliert.
Bild: Mobisol
3. Gute Ideen unterstützen
Immer mehr Kommunen, Firmen und Genossenschaften investieren in erneuerbare Energien und verkaufen sauberen Strom. Dieser Solarpark gehört Saerbeck. Die deutsche Gemeinde mit 7200 Einwohnern produziert mehr Strom als sie braucht und ist ein Vorbild für die zukunftsweisende dezentrale Energieversorgung. Hier ist gerade eine Delegation aus den USA zu Besuch und erfährt wie das geht.
Bild: Gemeinde Saerbeck/Ulrich Gunka
4. Kein Geld für klimaschädliche Unternehmen
Immer mehr Bürger, Pensionsfonds, Versicherungen, Universitäten und Städte ziehen ihr Geld aus fossilen Brennstoffunternehmen ab. Münster ist in Deutschland die erste Stadt, die sich der sogenannten Divestment-Bewegung angeschlossen hat. Weltweit haben sich mittlerweile über 180 Städte und Universitäten dazu verpflichtet. Die globale Bewegung hat viel Dynamik, auch weil jeder mitmachen kann.
Bild: 350.org/Linda Choritz
5. Umsteigen auf Rad, Bus und Bahn
Fahrräder, Bus und Bahn sparen viel CO2. Im Vergleich zum Auto ist ein Bus fünf Mal klimafreundlicher und ein elektrisch betriebener Zug mit Ökostrom sogar über 20 Mal. In Amsterdam fahren die meisten Bürger Rad. Die Stadt fördert mit breiten Radwegen und Fahrradstraßen diesen Verkehr und ist Vorbild für andere Städte.
Bild: DW/G. Rueter
6. Nicht fliegen
Fliegen ist äußerst klimaschädlich. Die Fakten zeigen das Dilemma: Zur Einhaltung des Klimaziele sollte jeder Erdbewohner im Durchschnitt nur noch rund eine Tonnen CO2 pro Jahr verursachen. Ein Hin- und Rückflug zwischen Berlin und New York verursacht pro Person jedoch schon eine Klimawirkung von 6,5 Tonnen CO2. In den Urlaub sollte man deshalb nicht mehr fliegen.
Bild: Getty Images/AFP/P. Huguen
7. Weniger Fleisch essen
Für das Klima ist auch die Landwirtschaft ein Problem. Beim Reisanbau und in den Mägen von Rindern, Schafen und Ziegen entsteht das sehr klimaschädliche Gas Methan. Kritisch sind Viehhaltung und weltweit wachsender Fleischkonsum auch wegen des zunehmenden Bedarfs an Soja für die Fütterung. Für den Soja-Anbau werden Regenwälder abgeholzt oder in Brand gesetzt.
Bild: Getty Images/J. Sullivan
8. Biolebensmittel kaufen
Besonders klimaschädlich ist Lachgas. Sein Anteil am globalen Treibhauseffekt liegt bei sechs Prozent. Es entsteht in Kraftwerken und Motoren, vor allem aber durch die Verwendung von Kunstdünger in der Landwirtschaft. Beim ökologischen Anbau ist das verboten und deshalb wird weniger Lachgas freigesetzt. Das hilft dem Klimaschutz.
Bild: imago/R. Lueger
9. Nachhaltig bauen und konsumieren
Bei der Herstellung von Stahl und Zement entsteht viel CO2, beim Wachstum von Holz und Bambus wird CO2 dagegen gebunden. Die bewusste Wahl von Baumaterialien hilft dem Klima. Das gleiche gilt für den Konsum. Für eine Massage und Frisur braucht man keine fossile Energie, für einen Plastikbecher etwas und für ein neues Auto viel.
Bild: Oliver Ristau
10. Verantwortung übernehmen
Wie kann man Treibhausgase vermeiden, damit Kinder und Enkel keine katastrophalen Folgen der Erderhitzung erleben? Diese Schüler sind fasziniert von sauberer Energie und sehen sie als Chance für ihre Zukunft. Jeder kann helfen, dass dies gelingt.