1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Politik

Deutschland hat noch lange keine Regierung

7. Dezember 2017

In der SPD bleibt der Widerwille gegen eine Neuauflage der großen Koalition groß. Daran ändert auch der Parteitagsbeschluss nichts. Die Hürden auf dem Weg zu einer Regierung bleiben, meint Sabine Kinkartz.

Bild: picture-alliance/AP Photo/M. Schreiber

Sie haben gestritten, argumentiert, sich gewunden. Stundenlang. Auf dem SPD-Bundesparteitag in Berlin meldeten sich in der Debatte um die Aufnahme von Verhandlungen mit CDU/CSU über eine Regierungsbildung 91 Delegierte zu Wort. Es wären wohl noch mehr geworden, hätte die Parteitagsregie die Rednerliste nicht irgendwann geschlossen. Regierung oder Opposition? Nichts treibt die Sozialdemokraten derzeit so sehr um, wie die Frage, ob sie ein drittes Mal Juniorpartner unter einer Bundeskanzlerin Angela Merkel werden sollen. Sollen, wohlgemerkt - von wollen kann keine Rede sein.

Die meisten Sozialdemokraten sind der Meinung, in zwei großen Koalitionen verschlissen worden zu sein. 20,5 Prozent hat die Partei bei der Bundestagswahl im September erreicht. Es war ihr schlechtestes Ergebnis in der Geschichte der Bundesrepublik. Aber wer weiß? Vielleicht könnte es noch weiter bergab gehen. Davor fürchten sich viele. Immer wieder fiel auf dem Parteitag der Begriff "Angst". Die SPD ist verzagt, weit entfernt von der einst stolzen und unbeugsamen Sozialdemokratie.

Das Vertrauen fehlt

Doch nicht nur das. Es herrscht ein nicht zu unterschätzendes Misstrauen gegenüber der Parteiführung. Das ist durchaus verständlich. "Wir gehen in die Opposition", beschied Martin Schulz kurz nach Schließung der Wahllokale am 24. September. Die SPD brauche einen Neuanfang. Die Basis jubelte und registrierte zufrieden, dass ihr Parteichef auch nach dem Scheitern der Sondierungsgespräche zwischen CDU, CSU, FDP und Grünen bei seiner Meinung blieb. Ein paar Tage jedenfalls. Inzwischen beurteilt die SPD-Führung die Lage etwas anders. Man sei in der Pflicht, dürfe sich Gesprächen mit der Union nicht verweigern, heißt es.

DW-Korrespondentin Sabine Kinkartz

Nicht wenige SPD-Mitglieder trauen ihrer Führung nicht über den Weg, sehen einen Automatismus hin zu einer erneuten Großen Koalition. Das aber wollen sie nicht hinnehmen. Auf dem Parteitag erstritten sie sich daher ein Vetorecht. Während der Parteivorstand das Ergebnis der Sondierungsgespräche lediglich auf einem Parteikonvent, also von einem kleinen Kreis von Funktionären beurteilen lassen wollte, muss nun erneut ein Parteitag einberufen werden, der dann grünes Licht für die Aufnahme von offiziellen Koalitionsverhandlungen geben soll. Oder auch nicht.

Schulz darf jetzt keine Fehler mehr machen

Ein daraus erwachsender Koalitionsvertrag könnte dann erneut zur Abstimmung kommen - entweder auf einem weiteren Parteitag oder vielleicht sogar in Form einer Mitgliederbefragung. Alles ist möglich. Der Konflikt zwischen Basis und Parteiführung ist nur eingefroren, der Graben, der sich durch die Partei zieht, bleibt. Die Entscheidung der SPD für oder gegen die GroKo ist vertagt. 82 Prozent der Stimmen hat Martin Schulz bei seiner Wiederwahl zum Parteivorsitzenden bekommen. Fast jeder fünfte Delegierte hat gegen ihn gestimmt.

Die Bildung einer neuen Bundesregierung wird der Parteitagsbeschluss über die Aufnahme ergebnisoffener Gespräche keinesfalls beschleunigen. Es wird noch Monate dauern, bis eine Entscheidung fällt. Große Koalition? Minderheitsregierung? Oder doch Neuwahlen? Wer sich vom Bundesparteitag der SPD erhofft hatte, dass der politische Schwebezustand in Deutschland bald ein Ende hat, der kann diese Hoffnung jedenfalls getrost fahren lassen.

 

Sie können unterhalb dieses Artikels einen themenbezogenen Kommentar abgeben. Wir freuen uns auf Ihre Meinungsäußerung!

Den nächsten Abschnitt Mehr zum Thema überspringen