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Politik

Eine Haltung, aber keine Wirkung

Porträt eines blonden Manns im schwarzen Hemd
Oliver Pieper
4. Februar 2019

Die Bundesregierung hat den venezolanischen Oppositionsführer Juan Guaidó als Übergangspräsidenten anerkannt. Doch Oliver Pieper bezweifelt, dass der diplomatische Druck auf Caracas vor Ort wirklich etwas ändert.

Bild: picture-alliance/AP Photo/F. Llano

Auf die Frage, wie viele Züge er beim Schach im Voraus denke, antwortete die Schach-Legende Bobby Fisher einmal: "Ich denke überhaupt nicht im Voraus, ich gewinne auch so!" Die Antwort von Großmeister Samuel Reshevsky auf die gleiche Frage war nicht ganz so hochmütig: "Einen Zug weiter als mein Gegner!"

Die Reaktion des Gegners schon mal durchspielen

In der Politik ist es wie beim Schach: Entweder ist man felsenfest davon überzeugt, seine eigene Position durchsetzen zu können und kann sich dann eine gewisse Großspurigkeit à la Fisher leisten. Oder - das Szenario, das in der Realpolitik viel häufiger eintritt - man spielt die möglichen Reaktionen des Gegners schon einmal durch und weiß deswegen frühzeitig darauf zu antworten. Vor allem, wenn der Part am anderen Tisch ein ausgekochtes Schlitzohr ist.

DW-Redakteur Oliver Pieper

Deutschland hat dem venezolanischen Staatschef Nicolás Maduro zunächst ein Ultimatum gestellt: Er habe acht Tage Zeit, Neuwahlen auszurufen - für die Präsidentschaft wohlgemerkt, nicht für das Parlament. Ansonsten werde Berlin Juan Guaidó als Interimspräsidenten anerkennen. In der Zwischenzeit haben sich die Außenminister der Europäischen Union jedoch nicht auf eine gemeinsame Position zu Venezuela einigen können und damit auch die deutsche Position weiter geschwächt. Egal, Bundesaußenminister Heiko Maas forderte Maduro weiterhin auf, "unverzüglich umzusteuern" und "einen glaubwürdigen politischen Prozess im Rahmen der politischen Verfassung" einzuleiten.

Nicolás Maduro antwortete so, wie es jedem in Berlin hätte klar sein müssen: Er weigert sich, Neuwahlen auszurufen. Die nächste planmäßige Präsidentschaftswahl finde 2024 statt und Venezuela interessiere nicht, was Europa wolle. Vielleicht hatte die deutsche Regierung insgeheim darauf spekuliert, dass der internationale Druck auch für Maduro zu groß werden würde, dass die hohen Militärs einer nach dem anderen überlaufen und irgendwann auch Russland und China ihre Unterstützung für Maduro aufgeben würden. Doch war das wirklich wahrscheinlich, gerade wenn man es mit einem Überlebenskünstler, wie dem Nachfolger von Hugo Chávez zu tun hat? Deutschlands Rechnung, Maduro schachmatt zu setzen, ohne wirklich in einer besseren Position zu sein, ging nicht auf.

Und jetzt? Wie reagieren auf den nächsten Zug?

Auf Maduros Absage neuer Präsidentschaftswahlen haben Deutschland und viele weitere EU-Staaten Oppositionsführer Juan Guaidó nunmehr als Übergangspräsidenten anerkannt. Bundeskanzlerin Angela Merkel sagte, sie erwarte von Guaidó, dass er "möglichst schnell einen Wahlprozess initiiert". Deutschland steht also zu seinem Wort und zeigt Haltung - aber nun ist wieder Venezuela am Zug. Und wenig spricht dafür, dass man für die nächste Antwort aus Caracas schon eine passende Replik parat hat: Präsident Maduro wird wiederholen, dass er der gewählte Staatschef sei, Guaidó wird betonen, dass er sich als rechtmäßiger Interimspräsident betrachtet. Wie überhaupt Guaidó an Maduro vorbei, der sich ja immer noch auf den Staatsapparat stützen kann, Präsidentschaftswahlen organisieren soll, bleibt schleierhaft. Und was macht Deutschland dann?

Wenn wir Maduro jetzt nicht loswerden, dann nie mehr, sagen viele Anhänger Guaidós. Je länger das Spiel um die Macht in Venezuela andauert, desto größer sind allerdings Maduros Chancen, an der Staatsspitze zu bleiben. Vielleicht, weil er einfach immer einen Zug weiter denkt als seine Gegner.

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