Seit 50 Jahren gibt es auch beim Deutschen Fußball-Bund offiziell Frauenfußball. Doch die konsequente Rückendeckung durch den Verband fehlt noch immer, meint Jasmina Schweimler.
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Der deutsche Frauenfußball stagniert bereits seit einiger Zeit, die Kritik von außen und innen wird immer größer. 50 Jahre ist keine lange Zeit. Die Rückblicke auf die Anfänge und historischen Momente sind zwar schön, aber es wäre doch ein viel wichtigeres Zeichen gewesen, ein Versprechen für die kommenden Jahre zu geben und die Energie stattdessen in die Verbesserung und Gestaltung der Zukunft zu stecken. Es muss sich endlich etwas bewegen.
FC Bayern- und Nationalspielerin Lina Magull sagte erst vor kurzem, dass der DFB sich zwar augenscheinlich Mühe gebe, die Prioritäten des Verbandes aber klar auf dem Männerfußball lägen und der Frauenfußball des Öfteren zu kurz komme. Torfrau Almuth Schult forderte derweil im Interview mit dem NDR mehr Aufmerksamkeit. Auch in der Vergangenheit hatten sich Spielerinnen und Verantwortliche immer wieder so geäußert, doch getan hat sich nicht viel.
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Viel Kritik, wenig Konsequenzen
Die Frauen-Bundesliga ist für nationale und internationale Fans kaum erreichbar. Eine eigene Homepage hat die Liga beispielsweise nicht. Warum eigentlich nicht? TV-Präsenz ist Mangelware, Reporter müssen sich bei Spielen oft auf einen Liveticker verlassen und auf Unterstützung der Vereine vor Ort hoffen.
Dass die Ligaspiele nur zweite Garde sind, zeigte sich erst Anfang des Monats, als die Partie zwischen 1899 Hoffenheim und Werder Bremen aufgrund einer Überschneidung doch nicht gezeigt wurde. Der Sender hatte den DFB bereits im Vorfeld über diese Möglichkeit informiert, doch erst als viele Fans ihren Unmut kundgetan hatten, folgte eine Reaktion auf Twitter. Ein kurzfristiges Switchen der Live-Spiele auf andere Sender oder generelle Übertragungen auf DFB-TV lasse die Rechtelage nicht zu, doch der DFB arbeite intensiv an einer Lösung, hieß es.
Über 50 Jahre Fußball der Frauen in Deutschland
Ende Oktober 1970 kippt der DFB sein Verbot von Frauenfußball-Teams und ebnet damit spät den Weg des deutschen Frauenfußballs. Der gehört heute zur Weltspitze. Eine Erfolgsgeschichte in Bildern.
Bild: Daniel Ulmer/Pressefoto ULMER/picture-alliance
Rückständiger DFB
1955 verbietet der DFB den Klubs, Frauenabteilungen zu gründen. Fußball sei "der Natur des Weibes im Wesentlichen fremd", heißt es: "Im Kampf um den Ball verschwindet die weibliche Anmut, Körper und Seele erleiden unweigerlich Schaden und das Zurschaustellen des Körpers verletzt Schicklichkeit und Anstand." Die Frauen scheren sich nicht um den DFB. Sie spielen - wie hier in Minden - Fußball.
Bild: Leonie Albig-Treffers/picture-alliance
Frauenfußball in der DDR nicht verboten
Während Frauenfußball im Westen untersagt ist, darf in der DDR gespielt werden. Aber: Das SED-Politbüro gibt im April 1969 eine Vorgabe heraus: Männerfußball ist Leistungssport, Frauenfußball nicht. Damit darf Frauenfußball weiter ausgeführt werden, gehört aber nicht zu den förderungswürdigen Sportarten. Es gibt nur ein Frauen-Länderspiel: Am 9. Mai 1990 unterliegt die DDR in Potsdam der CSFR 0:3.
Bild: FSU-Fotozentrum/picture-alliance
Die Wende im Jahr 1970
15 Jahre später bröckelt im DFB der Widerstand gegen den Frauenfußball. Für einen guten Zweck - wie im Juli 1970 bei einem Benefizspiel für die Deutsche Sporthilfe - zeigt man sich gerne mit den Fußballerinnen. Und kein Geringerer als Torjäger Gerd Müller (2.v.r.), der "Bomber der Nation", pfeift das Spiel. Am 31. Oktober 1970 kippt der DFB endlich seinen diskriminierenden Beschluss von 1955.
Bild: Parschauer/dpa/picture-alliance
Premiere auf großer Bühne
Wo sonst nur die Männer gespielt haben, treten jetzt auch die Frauen gegen den Ball - wie bei der Frauenfußball-Premiere im Stuttgarter Neckarstadion Ende November 1970 (Bild). Der TSV Öschelbronn besiegt die Spielvereinigung Weil im Schönbuch mit 3:1.
Bild: Michael Dick/picture-alliance
Erste "Tor des Monats"- Schützin
Ein Frauen-Nationalteam lehnt der DFB weiter ab. "Das war ein klarer Rückschritt", sagt Frauenfußball-Ikone Bärbel Wohlleben (Bild). "Außerdem durften wir nur zweimal dreißig Minuten spielen." Ihr Klub TuS Wörrstadt wird 1974 erster offizieller deutscher Frauenfußball-Meister. Die ARD-Zuschauer wählen Wohllebens Tor zum 3:0 im Finale gegen DJK Eintracht Erle zum "Tor des Monats". Ein Meilenstein.
Bild: picture-alliance/dpa/B. Roessler
Die Weltmeisterinnen aus Bergisch-Gladbach
Die SSG Bergisch Gladbach 09 entwickelt sich zum dominierenden Frauenteam Deutschlands. Zwischen 1977 und 1989 gewinnt der Verein neun deutsche Meistertitel und dreimal den DFB-Pokal. Hinzu kommen 1981 und 1984 zwei Triumphe beim internationalen Einladungsturnier in Taiwans Hauptstadt Taipeh, der inoffiziellen Weltmeisterschaft, wo Deutschland durch das Team aus Bergisch Gladbach vertreten wird.
Bild: picture-alliance/dpa/R. Witschel
Klarer Sieg im ersten offiziellen Länderspiel
1982 ringt sich der DFB schließlich doch zu einer Frauen-Nationalmannschaft durch. Die deutsche Auswahl gewinnt ihr erstes Länderspiel am 10. Oktober 1982 in Koblenz gegen die Schweiz mit 5:1. Silvia Neid von der SSG Bergisch Gladbach 09 - später Erfolgstrainerin des DFB-Teams - gelingt in der historischen Partie ein Doppelpack.
Bild: Sven Simon/picture-alliance
Der erste internationale Titel
1989 findet die EM in Deutschland statt. Das Halbfinale gegen Italien - das DFB-Team gewinnt im Elfmeterschießen - ist das erste Frauen-Fußballspiel, das im deutschen Fernsehen live übertragen wird. Im Finale folgt ein 4:1 gegen Norwegen. Als Prämie für den ersten Titel spendiert der DFB den Spielerinnen jeweils ein Kaffeeservice. Bis heute folgten sieben weitere EM-Triumphe für die DFB-Frauen.
Bild: Sven Simon/picture-alliance
Siegen triumphiert in der neuen Bundesliga
1990 gründet der DFB die Frauen-Bundesliga. Gespielt wird in einer Nord- und einer Südstaffel. Die jeweiligen Tabellenersten und -zweiten spielen beim Finalturnier um den Titel. Die Spielerinnen des TSV Siegen holen sich 1991 nach der ersten Saison die Meisterschaft. Seit 1997 ist die Bundesliga eingleisig. Meister wird wie bei den Männern, wer am Ende der Spielzeit die meisten Punkte hat.
Bild: Imago Images/Horstmüller
Europas bestes Vereinsteam kommt aus Frankfurt
2002 wird erstmals die beste Frauen-Vereinsmannschaft Europas gekürt. Der 1. FFC Frankfurt - hier Nia Künzer (Mitte) im Finale gegen Umea IK - siegt beim "UEFA Women's Cup". Drei weitere Titel folgen: 2006, 2008 und 2015 - da heißt der Wettbewerb schon Champions League. Siebenmal wird der 1. FFC Deutscher Meister und ist das erfolgreichste deutsche Team im Jahrzehnt nach der Jahrtausendwende.
Bild: Frank May/dpaweb/dpa/picture-alliance
Deutschlands erste Fußball-Weltmeisterinnen
2003 holen sich die deutschen Fußballerinnen erstmals den WM-Titel. In den USA besiegen sie im Finale Schweden mit 2:1. Nia Künzers Golden Goal per Kopf in der 98. Minute entscheidet das Spiel und wird später in Deutschland zum "Tor des Jahres" gewählt. Bei der Rückkehr präsentieren sich die Weltmeisterinnen vom Balkon des Frankfurter Rathauses aus mehreren tausend begeisterten Fans.
Bild: Michael Probst/AP Photo/picture-alliance
Birgit Prinz - dreimal Weltfußballerin
Mit sieben Treffern in sechs Spielen wird Birgit Prinz, die seit 1994 für die DFB-Auswahl aufläuft, Torschützenkönigin der WM. Bis 2011 geht der Superstar für die Nationalmannschaft auf Torejagd und ist mit 128 Treffern Rekordtorschützin. Dreimal in Serie (2003 bis 2005) wird Prinz zur Weltfußballerin gekürt, achtmal zu Deutschlands Fußballerin des Jahres. Heute arbeitet sie als Sportpsychologin.
Bild: picture alliance/dpa
Novum Titelverteidigung
Als erster Nation gelingt es Deutschland, den Frauen-WM-Titel zu verteidigen. Und wie! Die Bilanz des DFB-Teams bei der WM 2007 in China ist kaum zu überbieten: Sechs Siege und ein Unentschieden, 21:0 Tore. Im Finale in der Metropole Shanghai besiegt die Mannschaft um Spielführerin Prinz Brasilien mit 2:0. Seitdem hat das DFB-Team allerdings kein WM-Endspiel mehr erreicht.
Bild: picture alliance / Pressefoto Ulmer
Die ersten Champions-League-Gewinnerinnen
Zu Beginn der Saison 2009/2010 wird aus dem UEFA Women's Cup die UEFA Women's Champions League. Am Ende der Spielzeit triumphiert erneut eine deutsche Mannschaft. Der 1. FFC Turbine Potsdam setzt sich beim Finale in Getafe in Spanien im Elfmeterschießen gegen Olympique Lyon durch - und ist damit zum zweiten Mal nach 2005 Europas beste Vereinsmannschaft.
Bild: Alberto Martin/dpa/picture-alliance
Olympia-Gold in Rio
Zwei Jahre nach dem WM-Sieg des DFB-Männerteams holt erneut eine deutsche Mannschaft einen Titel im legendären Maracana-Stadion von Rio de Janeiro: Die deutsche Frauen-Nationalmannschaft gewinnt im Finale der Olympischen Spiele 2016 gegen Schweden mit 2:1 und sichert sich damit Gold. Nach drei Bronzemedaillen (2000, 2004, 2008) steht erstmals ein DFB-Frauenteam ganz oben auf dem Olympia-Podest.
Bild: Reuters/U. Marcelino
Silvia Neid - alles gewonnen
Für Bundestrainerin Silvia Neid ist das Olympia-Gold von Rio krönender Abschluss ihrer Karriere. Nachdem sie als Spielerin dreimal Europameisterin und einmal Vizeweltmeisterin geworden war, löst Neid 2005 Bundestrainerin Tina Theune-Meyer ab. Sie führt das Team zum WM-Titel 2007, den EM-Triumphen 2009 und 2013 und schließlich zum Olympiasieg 2016. Dreimal wird Neid als Welttrainerin geehrt.
Bild: Getty Images/F.Coffrini
Durststrecke bei großen Turnieren
Seit Neid ihr Amt als Bundestrainerin aufgegeben hat, ist die Titelsammlung der DFB-Frauen nicht mehr gewachsen. Bei der EM 2017 ist im Viertelfinale Schluss, ebenso bei der WM 2019. Bei der wegen der Corona-Pandemie um ein Jahr verschobenen EURO 2021 in England kommt das deutsche Team mit Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg ins Endspiel, verliert aber unglücklich gegen die Gastgeberinnen.
Bild: Sebastian Christoph Gollnow/dpa/picture alliance
Duell zweier Top-Mannschaften
In den vergangenen Jahren dominieren mit dem VfL Wolfsburg und dem FC Bayern zwei Spitzenteams die Frauen-Bundesliga, wobei Wolfsburg meist die Oberhand behält und mehr Titel sammelt als die Münchenerinnen. Die "Wölfinnen" erreichen als einzige deutsche Mannschaft auch das Endspiel der Champions League, kassieren aber 2016, 2018, 2020 und 2023 jeweils eine Final-Niederlage.
Bild: Michael Memmler/Eibner-Pressefoto/picture alliance
Kaum noch reine Frauen-Vereine
Trend der neueren Zeit ist die Fusion von Frauen-Fußballklubs mit Vereinen, die bei den Männern erfolgreich sind. So spielt der 1. FFC Frankfurt seit 2020 als Frauenabteilung von Eintracht Frankfurt (Foto). Die Frauen profitieren so von besserer Infrastruktur und professionelleren Bedingungen. Reine Frauen-Fußballvereine gibt es in der Bundesliga kaum noch - einzige Ausnahme ist die SGS Essen..
Bild: Jürgen Fromme/firo Sportphoto/picture alliance
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Im Juli spielten Titelverteidiger VfL Wolfsburg und die SGS Essen ein packendes und spannendes DFB-Pokalfinale aus, das sich erst im Elfmeterschießen entschied. Unmittelbar danach stieg die ARD aus der Übertragung aus und zeigte stattdessen den Vorlauf zum Männer-Pokalfinale. Interviews, Pokalübergabe und die emotionalen Feierlichkeiten gab es stattdessen nur als Livestream. Zwar kann man in beiden Fällen dem DFB keinen Vorwurf machen, allerdings wäre hier mehr Unterstützung für den Frauenfußball wünschenswert gewesen. Die Spielerinnen hätten sie verdient.
Männer haben immer noch Priorität
Die Frauen-Bundesliga zählt spielerisch seit Jahren zu den besten Ligen der Welt, doch es ist ein deutlicher Trend zu erkennen: Top-Akteurinnen wagen immer öfter den Schritt ins Ausland. In England geht es nicht nur um Geld - es geht auch um Anerkennung. In Sachen Präsenz und Vermarktung werden da neue Maßstäbe gesetzt, in den USA spielten die Portland Thorns im August vergangenen Jahres vor über 25.000 Zuschauern. Auch andere Länder haben das Potential erkannt.
Es ist an der Zeit, dass den Spielerinnen, Verantwortlichen und Fans endlich zugehört und gehandelt wird. Die Wünsche sind doch simpel: Es geht um grundlegende Akzeptanz, Respekt und Betreuung. Dass wir in 2020 noch nicht weiter sind, ist traurig - und inakzeptabel.