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Die absehbare Katastrophe

16. Mai 2015

Die Flüchtlingskrise in Südostasien hat sich angekündigt. Doch die Staaten in der Region blieben lange untätig. Eine gemeinsame Anstrengung ist überfällig, meint Rodion Ebbighausen.

Bild: Reuters/Stringer

Niemand verlässt leichtfertig seine Heimat. Bittere Armut, Perspektivlosigkeit und Diskriminierung drängen die Menschen, ihr Leben aufs Spiel zu setzen, um mit viel Glück ein neues Leben in Würde zu gewinnen.

Die verzweifelte Lage der muslimischen Rohingya ist seit langem bekannt. Bereits 2006 hat die Fluchtbewegung aus Myanmar und Bangladesch über das Meer deutlich zugenommen. Die blutigen Unruhen zwischen Muslimen und Buddhisten in Myanmar von 2012 haben den Druck weiter erhöht.

Die Krise ist kein lokales Problem. Die Menschen fliehen über Thailand nach Malaysia, Indonesien und Australien. Aber eine gemeinsame Politik der betroffenen Staaten hat es nie gegeben.

Malaysia, das bei den Verhandlungen zwischen myanmarischer Zentralregierung und den Glaubensbrüdern in den vergangenen Jahren mehrfach vermittelt hat, konnte im Staatenbund keine gemeinsame Lösung durchsetzen. Myanmar hat jeden Vorstoß blockiert.

Thailand hat das Problem bis vor kurzem eher verstärkt als gelöst. Da das Land für viele muslimische Flüchtlinge nur eine Durchgangsstation auf dem Weg nach Malaysia oder Indonesien ist, hat die Regierung die Schleuser gewähren lassen – Hauptsache sie muss keine Verantwortung übernehmen. Einige korrupte Beamte haben am Menschenhandel gut verdient.

Indonesien fürchtet eine Zunahme des Drogenhandels und wird von Australien unter Druck gesetzt. Die strikte Einwanderungspolitik des Fünften Kontinents, der Flüchtlingsboote zurück auf die hohe See geschleppt hat, hat inzwischen Nachahmer gefunden. Malaysia und Thailand haben am Donnerstag (14.05.2015) überfüllte Boote zwar mit Nahrung versorgt, eine Anlandung aber kategorisch ausgeschlossen und in mindestens einem Fall ein Schiff zurück auf das offene Meer geschleppt.

Asien-Redakteur Rodion EbbighausenBild: DW

Für den 29. Mai 2015 hat die thailändische Regierung einen Krisengipfel in Bangkok einberufen. Es wird endlich Zeit, die Politik der Eigeninteressen zu überwinden und eine gemeinsame Linie zu finden. Dabei müsste sich die ASEAN nur an Artikel 16 ihrer eigenen Menschenrechtserklärung erinnern: "Jeder Mensch hat das Recht in einem anderen Staat Asyl zu beantragen und zu erhalten, insofern dies mit den Gesetzen des Staates und internationalen Vereinbarungen übereinstimmt." Es ist auch an der Zeit, dass alle Staaten in der Region die Genfer Flüchtlingskonvention von 1951 und das Protokoll von 1967 unterzeichnen, was bisher nur Australien, die Philippinen, Kambodscha und Ost-Timor getan haben.

Doch eine Unterschrift wird nicht genügen. Es kommt zuerst darauf an, zu handeln – und zwar sofort. Der Krisengipfel in Bangkok wird für die Menschen, die in diesem Augenblick auf dem Meer in Not sind, zu spät kommen. ein paar tausend Menschen überfordern kein Land in der Region. Ihnen muss geholfen werden. Anschließend muss eine gemeinsame Flüchtlingspolitik formuliert werden.

Dass eine Einigung möglich ist, zeigt der Umfassende Aktionsplan für Flüchtlinge aus Indochina aus den späten 80er und frühen 90er Jahren, als hunderttausende Vietnamesen, die sogenannten Boatpeople, über die Meere flohen. Mit Unterstützung des UN-Flüchtlingshilfswerks einigten sich die wichtigsten Zielländer Thailand, Malaysia, Indonesien, Philippinen und Hongkong damals darauf, die Flüchtlinge nicht abzuweisen. Es ist also möglich, den Menschen zu helfen. Dazu bedarf es einer gemeinsamen Politik, die die Lasten auf mehrere Schultern verteilt.

Wie schwierig das ist, wissen wir in Europa sehr genau. Die Toten im Mittelmeer sind grausiger Beleg für das Versagen der EU. Jeder Staat sieht die Verantwortung bei den anderen. Dabei wissen alle, sowohl in Europa als auch in Südostasien, was zu tun wäre: ein solidarisches Engagement für Menschen in Not.


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