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Politik

Die alten Männer von Washington

Kommentarbild Muno Martin
Martin Muno
9. März 2020

Hier: alte weiße Männer, die Präsident werden oder bleiben wollen. Dort: ein hochgradig diverses und gespaltenes Land. Zusammen mit dem Wahlsystem ist das ein Sprengsatz für die Demokratie in den USA, meint Martin Muno.

Senator Bernie Sanders im Wahlkampf. Einen Herzinfarkt hat er schon hinter sich.Bild: picture-alliance/AP Photo/D. Dovarganes

Drei 73, 77 und 78 Jahre alte, sehr vermögende US-Bürger: Das könnte eine illustre kleine Golfrunde in einem Altersheim in Sacramento, Kalifornien sein, ist es leider nicht. 73 Jahre alt ist der amtierende Präsident, der gerne wiedergewählt werden will. Sein Herausforderer wird 77 oder 78 sein - je nachdem, ob Joe Biden oder Bernie Sanders die Mehrheit der Parteitagsdelegierten der Demokraten für sich gewinnt.

Der ebenfalls 78-jährige Michael Bloomberg hat im Rennen um die Kandidatur Demokraten ebenso hingeschmissen wie Elizabeth Warren, die mit ihren 70 Jahren gerade noch als Nachwuchstalent bezeichnet werden kann.

Auf dem Weg in die Gerontokratie

Dass die USA auf eine Gerontokratie zusteuern wird deutlich, wenn man Bill Clinton zum Maßstab nimmt, dessen Amtszeit vor 19 Jahren endete. Mit seinen heute 73 Jahren ist er immer noch jünger als Trump, Biden und Sanders. Ein anderer Vergleich: Die Bevölkerung der USA ist mit einem Durchschnittsalter von rund 38 Jahren gerade mal halb so alt wie die Bewerberriege.

DW-Redakteur Martin Muno

Und: Die Gesellschaft der USA ist divers. Zwar bilden die weißen, nicht-hispanischen Amerikaner nach wie vor die Mehrheit, aber die schwindet. Bis 2045 wird sie voraussichtlich auf unter 50 Prozent sinken. Dazu eine Binsenwahrheit: Auch in den USA ist rund die Hälfte der Bevölkerung, aktuell 50,6 Prozent, weiblich. Das heißt: Ein alter weißer Mann als Präsident wird zunehmend unzeitgemäß.

Dass es dennoch so kommt, liegt an einem sehr viel tiefer gehenden strukturellen Problem - und das ist das US-Wahlsystem. Hier gewinnt eben nicht die Person mit den meisten Stimmenanteilen. 2016 hatte Hillary Clinton knapp drei Millionen Stimmen mehr erhalten als Donald Trump. Doch das zählt nicht. Es gilt vielmehr ein Wahlsystem, das aus dem Postkutschenzeitalter stammt und das eigentliche Wahlergebnis, den sogenannten "Popular Vote", gleich zweimal verzerrt.

Kleine Bundesstaaten sind überrepräsentiert

Der Präsident wird von Wahlmännern und Wahlfrauen gewählt. Die Zahl dieser Delegierten ist jedoch nicht proportional zur Bevölkerung der Bundesstaaten; Kleinere, ländlicher geprägte Bundesstaaten sind deutlich überrepräsentiert. Und damit wiegt die Stimme von Wählern in diesen Staaten mehr. Zweitens vergeben alle Bundesstaaten mit nur zwei Ausnahmen ihre Wahlmänner und Wahlfrauen geschlossen an den dortigen Sieger der Abstimmung, statt sie im Verhältnis des Wahlergebnisses aufzuteilen - das "The-Winner-Takes-It-All"-Prinzip.

Das führt dazu, dass der Wahlkampf in nur wenigen Staaten entschieden wird. Wahlforscher gehen davon aus, dass Trump im November bis zu neun Millionen Stimmen weniger erhalten könnte als sein Gegenkandidat und dennoch die Wahl gewinnt, wenn er nur in Arizona, Florida, Michigan, Pennsylvania und Wisconsin eine Mehrheit hinter sich bringt. Alle anderen 45 Staaten könnten sich die Wahl praktisch sparen. Alte, weiße Kandidaten und ein veraltetes, ungerechtes Wahlsystem - beides zusammen könnte sich als Sprengsatz für die US-Demokratie erweisen.