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Die App, der Datenschutz und das Herdentier 

Deutschland Konstantin Klein in Bonn
Konstantin Klein
13. April 2020

Abstand halten ist in der Corona-Krise zum Gebot des Anstands und der Vernunft geworden. Gleichzeitig versuchen wir, unser bisheriges Leben digital nachzubauen. Das ist nicht ohne Risiko, meint Konstantin Klein.

Bild: Imago Images/N. Guyonnet

In Zeiten wie diesen lernt das Herdentier Mensch das Leben neu. Wir lernen, Abstand zu halten. Wir lernen, dass zwei eine legale Gruppe darstellen, 1,50 Meter Abstand vorausgesetzt, und drei an einem Ort schon illegal sind, wenn die drei nicht offiziell eine Familie sind. Und viele von uns lernen, unser analoges Leben soweit wie möglich digital nachzubilden - mit Arbeitstagen und -wochen im Homeoffice, mit dem Einsatz bisher unbekannter Werkzeuge für Bürochats und Videokonferenzen, mit abendlichen Gemeinschaftsbesäufnissen, bei denen jeder mit der Droge seiner Wahl zuhause sitzt und den anderen auf dem Smartphone oder dem Tablet beim Trinken zuguckt. Über den Ersatz zwischenmenschlicher Nähe durch digitale, nun ja, Werkzeuge möchte ich an dieser Stelle lieber nicht nachdenken. 

Für dieses Imitat unseres bisherigen Lebens laden viele von uns sich jetzt Apps und Anwendungen auf Smartphone, Tablet und PC, die zumindest die Datenschutzbewußteren vorher nicht mit der Kneifzange angefasst hätten. Das Ziel, die Ausbreitung des Virus mit der eigenen Isolation zu bremsen und trotzdem nicht zu vereinsamen, rechtfertigt die Mittel, also das schnelle Laden und Verwenden unbekannter, ungeprüfter Apps - echt jetzt? 

DW-Redakteur Konstantin Klein

Vertrauen gegen Vertrauen 

Nun können diejenigen unter uns, die ihrem Beruf plötzlich vom heimischen Küchentisch aus nachgehen und sich in ihre Büroumgebung einloggen, darauf vertrauen, dass die IT-Fachleute ihres Arbeitgebers wissen, was sie tun, dass also die Verbindung zur Arbeit und die Arbeit selbst gesichert sind. Aber können die IT-Fachleute umgekehrt darauf vertrauen, dass der Mensch am Küchentisch seinen Rechner, sein Tablet oder auch Smartphone ebenso sorgfältig abgesichert hat? Nein. 

Das ist jedoch nur eine Seite des Problems. Die andere ist, dass sehr viele in der persönlichen Isolation in die Versuchung kommen, Software auf den eigenen Rechner, das eigene Tablet zu laden, die man besser nicht laden oder nicht benutzen sollte - einfach, weil man sie nicht kennt oder weil sie sich anders verhält, als sie vorgibt. 

Und es hat Zoom gemacht 

Beispiel Zoom, eine App für Videokonferenzen, ursprünglich für den beruflichen Einsatz konzipiert, seit Beginn der unfreiwilligen Stubenhockerei aber in sehr vielen Wohnzimmern dieser Welt zu Hause. Weil Zoom auch für Computerlaien leicht zu bedienen ist, ist es so beliebt geworden. 

In Fachkreisen hat sich Zoom in den letzten Wochen aber keinen guten Namen gemacht. Seine Hersteller behaupten, die Videochats seien von Nutzer zu Nutzer verschlüsselt - sie sind es nicht, wie Experten herausfanden. Nutzer blieben unter sich, heißt es. Doch Nutzer, die sich darauf verlassen haben, hatten unerwartet Besuch von Menschen mit unguten Absichten oder wenigstens einen unguten Humor, die sich ungefragt in die Unterhaltung einklinkten. Und dann kam auch noch heraus, dass Zoom einen Teil des Datenverkehrs absichtlich oder unabsichtlich über chinesische Server laufen ließ. 

Die Werbung verspricht viel - aber sagt sie alles?Bild: zoom.us

Zum Glück gibt es für alles Alternative, auch für Zoom. Aber das Problem lauert überall. 

Das Problem liegt nämlich darin, in welcher technischen Umgebung sich eine neue, bisher unbekannte App einrichtet: Oft ist es nämlich ein Smartphone oder ein Tablet, also ein Rechner, der reichlich private Daten enthält, und dessen Betriebssystem daraufhin angelegt ist, die vorhandenen Daten möglichst transparent zwischen den installierten Apps austauschen zu können. Zwar fragen Geräte mit aktuellem Betriebssystem bei der Installation, ob man dieser neuen App denn wirklich alle geforderten Zugriffsrechte einräumen will, aber ganz ehrlich: Wer denkt über solche Nachfragen nach, wenn er die App installiert, die ihm den virtuellen Ausbruch aus der heimischen Einsamkeit verspricht? Eben. 

Das Problem, das bleibt 

Zugegeben: Angesichts einer weltweiten Pandemie, angesichts der alarmierenden Zahlen von Schwerkranken und Toten, erscheint das bisschen Datensicherheit, das bisschen Datenschutz zweitrangig. So lassen wir uns nicht nur darauf ein, dass man uns im Dienst der guten Sache die Bewegungsfreiheit einschränkt, sondern auch darauf, in der Krisenzeit den kleinen Datenschutz-Taliban in uns zum Schweigen zu bringen. 

Doch irgendwann wird diese Pandemie zu Ende sein, weil genügend Menschen immun geworden sind, weil man einen zuverlässigen Impfstoff gefunden hat. Dann ist Schluss mit Kontaktsperren und Ausgangsbeschränkungen. Die persönlichen Daten aber, die wir in dieser Zeit freiwillig oder unabsichtlich preisgegeben haben, die sind dann da draußen. Und keiner kann sie wieder einfangen. 

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