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Politik

Ein Signal der Solidarität senden

16. Juni 2020

Die Corona-Warn-App ersetzt zwar weder Impfstoff noch Verhaltensregeln in der Pandemie. Und doch kann sie Menschenleben retten. Schon deshalb sollte man ihr ein Chance geben und sie herunterladen, meint Volker Witting.

Dabei sein ist alles? Großer Auflauf zur Präsentation der Corona-Warn-App im Dienstag in BerlinBild: picture-alliance/dpa/H. Hanschke

Der Pomp zur Vorstellung der Corona-Warn-App war - gelinde gesagt - übertrieben: fünf Kabinettsmitglieder, zwei Industrievertreter, ein Wissenschaftler und zu viele Superlative. Hier nur eine Auswahl: "Nicht die erste Warn-App, aber die beste." "Der Rockstar in der Geschwindigkeit." "Der öffentliche Dienst auf der Höhe der Zeit." "Alles Made in Germany."

Aber egal, jetzt ist sie endlich da die Corona-Warn-App. Und es ist gut so! Ich selbst wollte sie schon am Abend vor der offiziellen Ankündigung herunterladen; jedoch ohne Erfolg. Am Dienstagmorgen dann - nach ein bisschen Suche - hat es geklappt.

Menschenleben retten leicht gemacht

Ich habe die Corona-Warn-App aus Überzeugung auf meinem Smartphone installiert: Denn, ich finde, Menschenleben zu retten ist Bürgerpflicht - nicht nur in Pandemiezeiten!

Ein gewisses Misstrauen hatte ich zunächst ja auch: eine Regierungs-App!? Dann dieses viel zu lange Hin- und Her. Und wie ist es mit der Datensicherheit?

DW-Hauptstadtkorrespondent Volker Witting

Am Ende hat mich überzeugt, dass selbst extrem kritische Computerexperten, wie der Chaos-Computer-Club, keine Einwände mehr hatten. Die Entwicklung der Corona-Warn-App war ein offener Diskussionsprozess. 7000 Hinweise kamen aus der niemandem verpflichteten Experten-Community. Ein Regierungsvorhaben mit echter Bürger- und Experten-Beteiligung also.

Die Corona-Warn-App ist bestimmt nicht das Non-Plus-Ultra. Schwächen werden bestimmt noch auftreten. Aber - und da schließe ich mich Kanzleramtsminister Helge Braun an - sie ist "ein großer Schritt für die Pandemie-Bekämpfung".

Diese App passt zur deutschen Demokratie

Deutschland hat es anders gemacht als andere Staaten: Keine Rundumkontrolle wie das autoritäre China, wo Zugangskontrollen mit der App verknüpft sind oder eine engmaschige Überwachung wie in Südkorea. Oder überstürzter Aktionismus bei der Einführung einer App mit vielen Schwächen, was nur zu Chaos und Enttäuschung geführt hat, wie in manchen europäischen Nachbarländern.

'Dezentral' ist das wichtigste Stichwort für die deutsche Corona-Warn-App. Das heißt, Daten werden nirgendwo zentral gespeichert: Wo ich als Anwender wann war, kann niemand auswerten. Und dann das Prinzip der Freiwilligkeit: Niemand muss die App installieren. Niemand hat Nachteile, wenn er das nicht tut. Niemand wird dazu verpflichtet, anzuzeigen, wenn er sich infiziert hat. Selbst das ist freiwillig. Die Corona-Warn-App ist also ein Stück gelebte deutsche Demokratie mit einem hohen Grad an Selbstverantwortung.

Gut ist, dass die Anwendung im Prinzip von allen Parteien im Bundestag unterstützt wird. Nur die rechtspopulistische AfD hält es mit den Verschwörungstheoretikern und stellt sich wieder einmal ins gesellschaftliche Abseits, wittert staatliche Überwachung.

Kein Allheilmittel

Natürlich ist die Corona-Warn-App kein Allheilmittel gegen die Seuche, die bislang allein in Deutschland schon 8800 Menschenleben gefordert hat. Und ja: Die Entwicklung hat lang gedauert, und ist die App ist nicht kompatibel mit den Anwendung in anderen Ländern. Aber wenn sie auch nur ein Leben rettet, ist sie die 20 Millionen Euro wert, die die Entwicklung gekostet hat.

Experten sagen, dass es gut wäre, wenn rund 60 Prozent der Deutschen die App installieren würden. Das scheint illusorisch. Nicht einmal die Hälfte der Deutschen wollen sie laut Umfragen tatsächlich herunterladen. Aber die Experten sagen auch, dass selbst bei geringerer Beteiligung Leben gerettet werden können. Gibt es ein besseres Argument?