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Politik

Die deutsche Demokratie lebt

23. April 2020

Nach Wochen der Einigkeit im Kampf gegen Corona wird der Ton in der Politik wieder rauer, und die Kanzlerin kritisiert die Länderchefs. Gut, dass der Streit wieder ins Parlament zurückkehrt, meint Volker Witting.

Auch im Deutschen Bundestag müssen die Abgeordneten Mindestabstände wahrenBild: Reuters/A. Hilse

Krisenzeiten sind die Zeiten der Exekutive, also der Regierung. Und diese Regierung hat in den vergangenen Wochen Grundrechte beschnitten, massiv Freiheiten eingeschränkt, die Wirtschaft heruntergefahren. Mit breiter Zustimmung der Bürger und des Parlaments - fast einhellig. Alle Parteien hatten die Milliardenförderprogramme, den Lockdown mitgetragen. Im Eiltempo.

Doch an dem Tag, an dem Bundeskanzlerin Merkel ihre Regierungserklärung zur Bewältigung der COVID-19 Pandemie hält, wird klar: Diese Republik ist auch die Republik der parlamentarischen Demokratie, also der Legislative. Und die deutsche Demokratie lebt - auch in Krisenzeiten! Es wird wieder diskutiert: natürlich über den richtigen Weg aus der Krise. Aber auch über zu hohe Rüstungsausgaben, notleidende  oder nimmersatte Unternehmen, die Grundrente und, und, und.

Merkel kritisiert Corona-Lockerungen der Länder

Auch die Kanzlerin bekennt, dass ihr die Einschränkung der Freiheitsrechte sehr schwer gefallen ist. Sogar so schwer, wie keine andere Entscheidung zuvor. Sie spricht von der Krise als eine "Bewährungsprobe", vom Zusammenhalt der Gesellschaft und Europas. Auf "sehr dünnem Eis" bewege man sich mit der allmählichen Öffnung von Geschäften, des öffentlichen Lebens. Sie warnt eindringlich vor den Gefahren der Corona-Seuche: "Wir sind noch nicht über den Berg!" Die Corona-Lockerungen einiger Bundesländer gehen ihr zu weit, seien "forsch, zu forsch".

DW-Hauptstadtkorrespondent Volker Witting

Am Anfang der Woche hatte sie in Zusammenhang mit den Lockerungen hinter verschlossenen Türen sogar von "Öffnungsdiskussionsorgien" gesprochen. Orgien: also totaler Kontrollverlust in einem Zustand der Berauschtheit. Die Kanzlerinnen-Wortkreation hat vielen Oppositionspolitikern gar nicht gefallen. Und das sagen sie auch so. Christian Lindner, der Vorsitzende der liberalen FDP, fordert eine "Begründungspflicht des Staates, wenn er Grundrechte einschränkt" und Alexander Gauland von der rechtspopulistischen AfD stemmt sich gegen eine Tendenz zur Obrigkeitshörigkeit, einer "Bevormundung" und einer "Basta-Mentalität".

Festes Fundament - nicht dünnes Eis

Mehr als einen Monat nach Beginn des gefühlten Ausnahmezustandes in der Republik kehrt auch im Parlament - wie im öffentlichen Leben - ein Stück weit Normalität zurück: Deutschland debattiert wieder. Die Demokratie jedenfalls bewegt sich nicht auf dünnem Eis, sondern auf einem festen Fundament.