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Die europäischen Deutschen

13. Juli 2015

Auf Deutschland blicken viele in diesen Tagen und an Deutschland richtet sich massive Kritik. Dabei steht das Land für Kompromiss, Konsens und muss auch bei anderen Herausforderungen viel leisten, meint Christoph Strack.

Bild: picture-alliance/dpa

Sie haben es hinbekommen. Nach 17 Stunden verständigten sich die Vertreter der Euro-Staaten auf ein neues Hilfsprogramm für Griechenland. Der befürchtete Showdown blieb aus. Die deutsche Bundeskanzlerin und der griechische Ministerpräsident - sie duellierten sich nicht.

Bei ihrem Auftritt nach der langen Nacht war Angela Merkel in Hochform: die Zufriedenheit angesichts der Einstimmigkeit, das Lob des Kompromisses, "wenn die Vorteile die Nachteile überwiegen", die Betonung von Solidarität und Eigenverantwortung, die Erinnerung an "die wichtigste Währung: Vertrauen". Die Kanzlerin hat einen maßgeblichen Teil zum Erreichten beigetragen.

Aus Erfahrung ergibt sich Verantwortung

Dabei ist die Rolle Deutschlands nicht nur der Wirtschaftskraft oder Einwohnerzahl geschuldet. Angela Merkel steht im zehnten Jahr an der Spitze der Bundesregierung. Sie hat bereits die Erschütterungen der Bankenkrise 2008 erlebt. Außer ihr traten lediglich zwei weitere der 19 Vertreter der Euro-Staaten ihr Amt vor 2010 an, fast die Hälfte der Teilnehmer kennt diese Runde erst seit 2013, 2014 oder seit ein paar Monaten. Da wächst einem eine natürliche Verantwortung zu.

So zeigt die Wortwahl der vergangenen Tage den Kurs Berlins. Sicher, Wolfgang Schäuble kam mit seinem südwestdeutsch-dialektalem Englisch - "isch over" - in die Schlagzeilen. Aber der deutsche Finanzminister, mehr noch seine Chefin Angela Merkel, standen vor allem für Gespräch und Kompromiss. Der Hashtag #ThisIsACoup wurde befeuert durch viele Stimmen aus aller Welt, aber nicht durch die Brüsseler Abläufe dieser Nacht.

In Deutschland stehen bald wichtige Wahlen an

Dabei hat ein Detail der Vereinbarungen dieses Montagmorgens - ob gewollt oder en passant - auch einen sehr deutschen Aspekt: Denn das Hilfspaket, das in den nächsten Tagen geschnürt und auf den Weg gebracht werden soll, ist vorgesehen für die kommenden drei Jahre. Bis dahin passiert viel, eben auch in Deutschland. 2016 hebt ein Reigen wichtiger Regionalwahlen an, der einen Höhepunkt findet in der Bundestagswahl, die spätestens im Herbst 2017 stattfinden muss.

Falls, ja falls denn tatsächlich das griechische Drama nun ein Ende fände und das neue Hilfsprogramm den Menschen und dem Land auch helfen würde, und falls auch kein weiteres Land ins Trudeln käme, bliebe dem deutschen Wahlkampf der atemlose Aktionismus dieser Krisentage erspart. Man mag das bedauern. Die europäischen Themen treiben schließlich auch Deutsche um. Jede hitzige Kontroverse in Deutschland findet europaweit ihre Aufmerksamkeit. Und wenn sich die Parteien der großen Koalition beim Thema Europa zerstreiten würden, würde das in Ost- und Süd- und Westeuropa beäugt und kommentiert, auch auf der britischen Insel.

Christoph Strack, Korrespondent im DW-HauptstadtstudioBild: DW

Große Koalition hilfreich in der Krise

Eine große Koalition aktueller Prägung ist nicht unbedingt gut für ein Land wie Deutschland. Da zeigt sich im politischen Alltag ein breiter Strom, dem die Kreativität fehlt. Bei manchen Konzepten dominiert Mittelmaß. Und doch ist die Bewältigung der Finanzkrise insbesondere auch dem gemeinsamen Kurs der großen Koalition geschuldet.

Aus all dem dürfen deswegen auch Erwartungen entstehen. Der Bundestag muss um das neue Hilfspaket für Griechenland streiten, aber er sollte ihm als ein europäisch fühlendes Parlament im Herzen Europas zustimmen. Und: Die Deutschen sollten ihre Rolle auch in anderen Bereichen ernster nehmen. Da ist eine selbstbewusste Rolle gegenüber den USA, nicht nur beim anstehenden Pariser Klimagipfel. Da ist die Aufnahme von und der menschliche Umgang mit Flüchtlingen. Und weitere Themen ließen sich nennen.

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