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Politik

Die Obergrenze, die nicht so heißen darf

9. Oktober 2017

Politischer Showdown zwischen der vom Wähler gerupften Angela Merkel (CDU) und dem sogar noch schwerer geprügelten Horst Seehofer (CSU). Am Ende finden beide den Notausgang, meint Volker Wagener.

Bild: picture-alliance/dpa/A. Weigel

Wie gelingt es dem Wolf, satt zu werden, ohne dabei das Schaf anzurühren? - Ganz einfach: durch Politik! Der bayrische Wolf Horst Seehofer, mit mehr als zehn Prozent Minus vom Wähler für CSU-Verhältnisse fast vernichtend normalisiert, hat seine Beute tatsächlich gemacht. "Obergrenze", das verbotene Wort vom Limit für Flüchtlinge per anno, ist nun beschlossene Sache in der Union. Okay, es heißt jetzt nicht mehr so. Doch dazu später mehr.

CSU will niemanden rechts von sich

So ist das eben nach Wahlen: alles wird neu justiert. Die CSU hat ordentlich verloren, kann aber dennoch Forderungen stellen. Nicht nur, weil Merkel das kleinere Schwesterlein aus Deutsch-Südost dringend zum Regieren braucht. Nein, auch weil ein altes CSU-Diktum seine Gültigkeit verloren hat. Dass nämlich rechts von der CSU nur noch die Wand zu sein habe - politisch-ideologisch gesehen. Franz Josef Strauß, die Ikone der Christsozialen in der alten Bundesrepublik, hatte die Losung einst in Stein gemeißelt. Doch die AfD hat die Wand seit dem 24. September dieses Jahres verschoben. Sie steht nun rechts von der CSU. Das will, das muss Seehofer korrigieren.

Mit der Berliner Einigung der Union ist ein Paradebeispiel dafür gelungen, wie pragmatisch Politik sein kann, wenn den handelnden Personen buchstäblich die Klinge am Halse steht.

Die Obergrenze und die Verfassung

Verfassungsrechtlich geht das mit der Obergrenze nämlich gar nicht. Das Asylrecht kennt keine Obergrenze, Angela Merkel hat das gebetsmühlenartig wie eine Monstranz vor sich her getragen. Also musste begrifflich, definitorisch nachgeholfen werden. Die Oberkante-Unterlippe gilt eben nicht ausschließlich für Asylbewerber. In einem Mix aus Migrations-, Flüchtlings- und qualifizierter Zuwanderung soll nun zusammengefasst werden, was zuvor noch ziemlich hartherzig "Obergrenze" hieß. Egal, Horst Seehofer kann damit leben. Ihm komme es auf den materiellen Gehalt des Vereinbarten an und nennt das Resultat ein "Kursbuch" für die Flüchtlingspolitik der nächsten Jahre.   

DW-Redakteur Volker Wagener

Die Obergrenze, die nicht mehr so heißen darf: Das klingt moderater, irgendwie freundlicher und ist definitiv schwammiger. Ein weites Feld sozusagen, man braucht ja noch Luft zur Nachverhandlung, die Sondierungen mit FDP und Grünen haben ja noch nicht einmal begonnen.

Damit steht zumindest zweierlei fest: Zum einen kann die Union wieder auftreten wie es der Name suggeriert. Nämlich als Partei der einigen Schwestern. Und: Die CSU kann sich ab sofort an die Arbeit machen rechts von ihr alles einzusammeln, was "demokratisch legitimiert" ist. In Bayern sind nächstes Jahr Landtagswahlen. Die CSU will ihren Wahl-Schandfleck von gut 38 Prozent wieder wettmachen und den Parvenü AfD um "verirrte Wähler" erleichtern.

Munition für die Landtagswahl

Merkel hat eine erste Kröte fressen müssen auf dem Weg, die einzig realisierbare Regierungskoalition zu zimmern, das Jamaika-Bündnis. Mit der linguistisch und definitorisch kunstvollen Befriedung des politisch angeschlagenen Seehofer ist der Kanzlerin ein erster Schritt zur Deeskalation gelungen, bevor Grüne und Liberale erst richtig mit ihrem Forderungskatalog auf den Kabinettstisch hauen.

Wie also ist Merkel ganz geblieben und Seehofer satt? Die Kanzlerin hat den Begriff "Obergrenze" vermeiden können, dafür aber eine Zahl akzeptiert. Mehr als 200.000 Flüchtlinge, Asylbewerber oder Zuwanderer pro Jahr sollen es nicht werden. Das hat der Bayer gebraucht. Er hat Wahlen vor sich, die Merkel gerade hinter sich hat. Seehofer kann seiner CSU verkünden, eine Obergrenze erkämpft zu haben. Und Merkel kann weiter behaupten: Das Asylrecht kenne keine Obergrenze.

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