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Politik

Die Preisgabe von Schengen

Martens Catherine Kommentarbild App PROVISORISCH
Catherine Martens
28. September 2017

Natürlich bleiben die Grenzen im Schengen-Raum offen, sagt die EU-Kommission. Aber es wird trotzdem immer weiter kontrolliert. Die EU gibt so leichtfertig eines ihrer Grundprinzipien auf, meint Catherine Martens.

Stört ja nicht. Das bisschen Kontrolle fällt doch kaum auf. Und Schlagbäume gibt's auch nicht - also warum bitteschön aufregen über Brüssels jüngsten Beschluss, in Sachen Grenzkontrollen nochmal eins draufzulegen.

Doch es stört! Mit dem erneuten Ja zur Fortsetzung der eigentlich seit 25 Jahren abgeschafften Kontrollen erweist sich die EU-Kommission einen Bärendienst. Sie knickt damit ein vor einem diffusen Angstgefühl in vielen Mitgliedstaaten. Vor den Orbans Europas und ja, auch vor einem Deutschland, das sich noch schüttelt ob seiner neuen Parlamentsfraktion von Rechtsextremen.

EU-Regeln nach nationalem Gusto

Drei weitere Jahre billigt Junckers Haus nun, dass die Schengen-Staaten ihr Bedürfnis nach Sicherheit ganz nach nationalem Gusto an den Landesgrenzen ausleben dürfen. Je nachdem was zu Hause in Budapest, Paris oder Kopenhagen opportun scheint. Die "ernsthafte Bedrohungen der öffentlichen Ordnung oder inneren Sicherheit" als Grundlage für die Binnenkontrollen sind ja zum Glück schon längst wieder Geschichte. Sei's drum.  Aber "Terrorbedrohung", liebes Brüssel, müsst ihr doch bitte gelten lassen.

Catherine Martens ist Korrespondentin im Studio Brüssel

Den Mitgliedsstaaten diesen Wunsch durchgehen zu lassen ist doppelt heikel: Brüssel verschafft den ohnehin vorhandenen populistischen Fliehkräften in Europa erst recht Flügel. Denn es suggeriert: Ihr habt ja Recht! Anders kriegen wir das nicht hin (das mit den Terroristen und das mit den Flüchtlingen). Genauso heikel: Ausnahmen zur Regel erklären. Je länger der Ausnahmezustand währt, je länger es zu keinem Zwischenfall kommt, desto stärker spielt es einem Weiter-so ins Blatt. Will heißen, ein Ausstieg aus der Ausnahme würde immer schwieriger, ein Zurück zu einem gänzlich geltenden Schengen-Raum käme einem Sicherheitsrisiko gleich. Der Sonderfall würde zum Normalfall. Schengen - langfristig nicht mehr als Makulatur.

Das kann mitnichten das Ziel der EU-Kommission sein. Wenn Junckers Behörde nicht aufsteht für Europas freie Grenzen, wer soll es dann tun? Die Afd? Die neuen französischen Patrioten? Bestimmt nicht. Wo bleibt Europas Mut, den Jean-Claude Juncker noch vor einer Woche auf dem Zettel stehen hatte? Wo bleibt Europas bedingungslose Linie, wenn es um die ehernen Prinzipien der Europäischen Union geht? Das bisschen Kontrolle stört doch nicht?

Leichtfertige Preisgabe einer Grundidee

Doch, es stört! Mitnichten, weil der Alltag für europäische Bürger dadurch unverhältnismäßig verändert würde. I wo! Hier geht es um das große Ganze, das an dieser Stelle durchaus einmal bemüht werden darf. Freie Grenzen sind nicht etwa nervig und altbacken, sie sind Teil der noblen Grundfesten der Union, mit denen Brüssel leichtfertig spielt.

Wenn die EU-Kommission Schengen so billig verscherbelt, dann kommt es umso billiger daher, den Schengen-Raum jetzt großzügig für Rumänien und Bulgarien zu öffnen. Hallo - wir haben zwar die Hosen voll, aber ihr dürft jetzt auch mitmachen! Fragwürdig ist dieses Timing allemal. Schengen-Light für Europas Populisten, schnelle Zugeständnisse an die Visegrad-Staaten: Brüssel verteilt Beruhigungspillen statt Überzeugung. Für mehr bedürfte es Mut, aber der fehlt.

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