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Politik

Rückkehr der politischen Gewalt

Thurau Jens Kommentarbild App
Jens Thurau
8. Januar 2019

Da kann einem ganz anders werden: In Bremen wird der AfD-Landeschef übel zusammengeschlagen, und auch die Aufarbeitung der Gewalttat ist aggressiv. Ein Plädoyer für die Rückkehr zu normalen Umgangsformen von Jens Thurau.

Der Goetheplatz in Bremen - Schauplatz des Überfalls auf Frank MagnitzBild: picture-alliance/imageBroker/T. Robbin

Politische Konflikte, die gewaltsam auf der Straße ausgetragen werden - das war vor noch nicht langer Zeit etwas, was in Deutschland vor allem im Geschichtsunterricht an den Schulen vorkam, wenn über die Exzesse in den 1920er-Jahren gesprochen wurde. Als Linke gegen Rechte und umgekehrt mit aller Gewalt gegeneinander vorgingen und unzählige Tote zu beklagen waren.

Brutale Attacke auf Bremer AfD-Landeschef

Jetzt kehrt die politische Gewalt zurück nach Deutschland: In Bremen wird der Bundestagsabgeordnete und Landesvorsitzende der "Alternative für Deutschland" (AfD) Frank Magnitz von Unbekannten übelst zusammengeschlagen und landet schwerverletzt im Krankenhaus. Politiker aller Couleur äußern sich entsetzt. Aber die AfD selbst (konkret: ihr Vorsitzender Jörg Meuthen) hat nichts Besseres zu tun, als ein unverpixeltes Bild des Schwerverletzten mit seinen schlimmen Kopfverletzungen zu veröffentlichen, natürlich bei Twitter. Nichts ist ganz offenbar schrecklich genug, um zur Besinnung zu kommen - und sei es nur für einen Moment. Der Gewalt auf der Straße folgt eine Diskussion und Aufarbeitung voller Hass.

Jens Thurau ist Hauptstadtkorrespondent

Nach einiger Zeit steigen fast alle Medien in die Berichterstattung ein. Sie hätten es aber sicher noch früher getan, wenn es sich bei dem Opfer um ein Mitglied der sogenannten etablierten Parteien gehandelt hätte. Die rechtspopulistische AfD hat in den deutschen Medien nur wenig Freunde, aber bei offener Gewalt hört jede Auseinandersetzung auf. Und deshalb ist die Gewalttat von Bremen für die Deutsche Welle auch ganz selbstverständlich ein Thema.

Wo fängt Gewalt an, wo hört sie auf? Alle Beobachter sind sich einig: Der Ton im Bundestag etwa ist seit dem Einzug der AfD dort ein anderer. Die AfD spricht von "alimentierten Messermännern und Kopftuchmädchen" und meint Flüchtlinge. Pauschal und hasserfüllt. Aber die anderen Parteien haben auch noch keinen deeskalierenden Umgang mit den neuen Rechten gefunden. Voller Erregung warf der SPD-Abgeordnete Johannes Kahrs der AfD im September dies an den Kopf: "Hass macht hässlich! Schauen Sie doch in den Spiegel." Die AfD verließ daraufhin geschlossen das Plenum des Bundestages. Szenen tatsächlich wie zu Zeiten der Weimarer Republik.

Die übergroße Mehrheit schweigt

Wer auch immer den Überfall auf den Abgeordneten Magnitz in Bremen verübte, er wird (soviel darf man vermuten) aufgeschaukelt worden sein durch ein immer hysterischeres politisches Klima - auf allen Seiten. Ausgetragen wird das Ganze vor allem in den Sozialen Medien. Die übergroße Mehrheit der Menschen in Deutschland hat damit nichts zu tun und wendet sich voller Entsetzen ab. Aber schweigt eben auch.

Von hier müsste der Impuls kommen für eine Abrüstung: aus der Mitte des Gesellschaft. Aus den Schulen und Elternhäusern. Es gibt einen Rechtsruck in der Gesellschaft, der danach schreit, dass die Menschen wieder miteinander sprechen. Über Ost und West, Biodeutsch und Ausländer, reich und arm. In der Politik muss dieser Impuls vor allem von den Alt-Parteien kommen. Vor allem sie müssen bei aller Härte der Auseinandersetzung mit der AfD die Umgangsformen wahren. Von der AfD selbst ist das kaum zu erwarten, wie auch der Umgang mit dem brutalen Angriff auf den Abgeordneten Frank Magnitz deutlich macht.

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