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Politik

Die Stunde der Realpolitik

7. Oktober 2019

Zwei bisher sehr gegensätzliche Oppositionsparteien sind Gewinner der Wahl im Kosovo und müssen nun gemeinsam den schwierigen Dialog mit Serbien voranbringen. Das kann durchaus funktionieren, meint Vilma Filaj-Ballvora.

Albin Kurti, der Vorsitzende von Vetevendosje, am Wahlabend vor einer Fahne Albaniens, nicht des KosovoBild: picture-alliance/AA/U. Sulejman

Es gibt zwei große Verlierer der Parlamentswahl im Kosovo: die PDK des Präsidenten Hashim Thaci und die AAK des noch amtierenden Premierministers Ramush Haradinaj. Beide sind ehemalige Kommandeure der aufständischen UCK, die in den 1990er-Jahren gegen die serbische Herrschaft gekämpft hat. Seit Kriegsende waren sie abwechselnd an der Macht. Doch sie fanden keine überzeugenden Lösungen für die gravierenden Probleme des jüngsten Staates Europas und schafften auch keinen großen Sprung in der Normalisierung der Beziehungen zu Serbien, das die Unabhängigkeit seiner ehemaligen Provinz Kosovo weiterhin nicht anerkennt. Die enttäuschten Wähler wollen jetzt eine Wende: Die Oppositionsparteien Vetevendosje und LDK bekamen jeweils mehr als 25 Prozent der Stimmen.

Albin Kurti - vom Rebellen zum Realisten

Der sehr knappe Sieg der bisher als radikal geltenden linken Bewegung Vetevendosje (auf Deutsch: "Selbstbestimmung") vor der konservativ-liberalen Partei LDK zeigt, wie gespalten die kosovarische Gesellschaft im Hinblick auf die Verhandlungen mit Serbien ist. Während die LDK traditionell für den pazifistisch-diplomatischen Kurs ihrer inzwischen verstorbenen Galionsfigur Ibrahim Rugova steht, war die Vetevendosje unter Albin Kurti immer gegen Kompromisse.                   

Vilma Filaj-Ballvora leitet die Albanische Redaktion der DW

Sollte die Regierung künftig aus einer Koalition zwischen Vetevendosje und LDK bestehen, werden die Verhandlungen mit Belgrad gewiss nicht einfacher. Mehr noch: Es ist fraglich, ob Belgrad überhaupt an einen Verhandlungstisch mit Albin Kurti zu bringen wäre. Kurti, eine der führenden Figuren der Studentenbewegung gegen die serbische Politik im Kosovo der 1990er Jahre, wurde im März 2000 in Serbien wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung zu 15 Jahren Haft verurteilt. Erst nach dem Regierungswechsel in Belgrad 2001 wurde er unter internationalem Druck freigesprochen. Mit radikalen Thesen - gegen die internationale Präsenz im Kosovo, für eine Politik der Selbstbestimmung, gegen jeden Kompromiss im Dialog mit Serbien und sogar bis hin zu einer Vereinigung aller von Albanern besiedelten Gebiete - zog seine Partei immer mehr enttäuschte Wähler an. Stets sorgte sie aber auch für Schlagzeilen im In- und Ausland mit heftigen und manchmal gewalttätigen Protesten gegen die Politik der Regierung, die Korruption und die Missstände im Kosovo. 

Der 44-jährige Albin Kurti gilt als unbestechlicher Polit-Rebell. Gleichzeitig schaffte er es, sich im Ausland als intellektueller, charismatischer und erfahrener Politiker zu präsentieren. Dass ein "Zusammenschluss der albanischen Gebiete", über den er in früheren Zeiten gesprochen hatte, nun kein Thema mehr für ihn ist - auch nicht im Wahlkampf - spricht für seinen neuen Realismus.

Den Spagat meistern

Vjosa Osmani - Spitzenkandidatin der LDKBild: Reuters/F. Goga

Albin Kurti steht vor einer Herkules-Aufgabe: Er darf seine Wähler nicht enttäuschen, doch gleichzeitig sind schmerzhafte Kompromisse mit Belgrad unter internationaler Vermittlung unvermeidlich. Gerade eine Koalition mit der LDK könnte ihm helfen, diesen Spagat zu meistern. Diese gemäßigte Partei hat sich dem Zeitgeist angepasst und schickte Vjosa Osmani ins Rennen. Mit ihrer selbstbewussten, ehrlichen Art kam die erst 38-jährige Juristin sehr gut bei den Wählern an - und sie könnte eine wichtige Rolle spielen im Dialog mit Belgrad. Außerdem lehnten sowohl LDK als auch Vetevendosje Grenzveränderungen ab - auch das hat vermutlich zum Wahlerfolg der beiden Oppositionsparteien beigetragen.

Die beiden jungen Politiker Kurti und Osmani haben das Potenzial, aufeinander zuzugehen, um die kosovarische Gesellschaft auf notwendige Kompromisse einzustimmen. Ideologie hin oder her - nun hat die Stunde der Realpolitik im Kosovo geschlagen: Eine Einigung nicht nur mit Serbien, sondern auch innerhalb des Kosovo ist unabdingbar für eine sichere und friedliche Zukunft - auch im Hinblick auf eine Annäherung an die EU.

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