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US Open - das fragwürdigste Turnier der Welt

Marko Langer
28. August 2020

Endlich wieder Mega-Tennis! Endlich? Die US Open sind ein Experiment zugunsten der Vermarkter. Das Risiko tragen die Spieler, die zweite Garde bekommt gar keine Chance. In Zeiten von Corona und Polizeigewalt: Irrsinn!

Tennis Western Southern Open in New York | Andy Murray
Andy Murray, zur Zeit New YorkBild: picture-alliance/AP Photo/F. Franklin II

Also, fangen wir mit dem Positiven an. Immerhin haben es die Drahtzieher der Tennisvereinigung der Vereinigten Staaten von Amerika (USTA) vermocht, zwei Turniere an einen Ort zu legen. Vor dem Beginn der US Open findet auf der Riesenanlage in New York noch der Wettbewerb statt, der eigentlich in Cincinatti durchgeführt werden sollte. So bleibt den Spielerinnen und Spielern wenigstens der Trip quer durch die halben USA erspart. Über diverse Bundesstaaten und -straßen wären es 637 Meilen. Im Flugzeug: zwei Stunden.

Und dann nach Paris! War da was?

Aber damit ist es auch schon fast vorbei mit den guten Nachrichten. Denn wenn fast 350 Spielerinnen und Spieler, was ihnen zu wünschen ist, den Wettbewerb bis zum 13. September heil überstanden haben, also auch ohne Coronavirus-Infektion, dann werden sie fast ausnahmslos in Flugzeuge steigen. Reiseziel für die meisten dürfte dann Europa sein. In Paris sollen am 21. September die French Open beginnen, auf der kostspielig umgebauten Anlage von Roland-Garros.

Das wäre für die Sportlerinnen und Sportler schon in normalen Zeiten ein merkwürdiger Trip. Erst USA, dann Europa, erst Hartplatz, dann Asche. Aber die Zeiten sind nicht normal, und das Gebaren der Verantwortlichen im Tennis-Sport ist es auch nicht. Nie zuvor wurde deutlicher, dass die Spielerinnen- und Spielervereinigungen, ATP und WTA, die Internationale Tennis-Föderation ITF und die Veranstalter der großen Grand-Slam-Turniere (hinter denen die jeweiligen nationalen Verbände stehen) kaum noch in der Lage sind, ihrem Sport ein zukunftsfähiges Format zu verpassen. Stattdessen zählen Kohle und der Kommerz. ESPN will übertragen, der Tennis Channel will übertragen, Eurosport will übertragen, Sponsorenpakete sind verkauft, Werbezeiten, Primetime Programm. Corona-Virus? Ach so ... 

"Das Gefühl, dass es viel wichtigere Dinge gibt ..."

The show must go on. Dabei gibt es neben der Pandemie ja noch ein anderes Thema. Gerade haben die Basketballer der NBA und die Profis anderer großer Ligen in den USA bewiesen, dass es angesichts der rassistischen Polizeigewalt in den USA nicht mehr einfach weitergehen kann mit der Show. Im Tennissport hat die US-Open-Siegerin von 2018, Naomi Osaka, mit ihrer vorübergehenden Halbfinal-Absage beim Vorbereitungsturnier in New York diese Woche ein Zeichen gesetzt. "Als Schwarze Frau habe ich das Gefühl, dass es viel wichtigere Dinge gibt, die sofortige Aufmerksamkeit erfordern, als mir beim Tennisspielen zuzuschauen", twitterte Osaka. Die Organisatoren folgten ihr - etwas gezwungenermaßen - und strichen den kompletten Spieltag. Sonst ist von den Vertreterinnen und Vertretern des einstmals "weißen Sports" hinsichtlich der "Black Lives Matter"-Bewegung vergleichsweise wenig zu hören.

 

Marko Langer, DW-AutorBild: Sarah Ehrlenbruch

Die meisten Tennisprofis, die sich gerade in New York versammeln, werden betonen, wie glücklich sie sind, wieder antreten zu können - und sei es in der menschenleeren Riesenschüssel namens Arthur Ashe Stadium. Keine Zuschauer, nur Betreuer auf den Rängen. Dafür ein ausgeklügeltes, siebenseitiges Hygienekonzept, "Health and safety plan" genannt. Dieser Plan sieht übrigens vor, dass die Spielerinnen und Spieler schon im Marriott-Uniondale, das ist eines der ausgesuchten Spieler-Hotels, auf das Virus getestet werden.

Djokovic und die "Hexenjagd"

Dass es ausgerechnet Novak Djokovic ist, der hier eine Ausnahme machen wird, lässt einen im fernen Europa recht sprachlos dastehen. Djokovic dachte nämlich nicht daran, jedenfalls nicht erfolgreich, den Weg ins obligatorische Spielerhotel zu finden. Er sitzt in einem angemieteten Haus mit Terrasse nahe New York und lässt sich von dort aus auf die Anlage kutschieren. Sicher wird auch der "Djoker" seine Tests machen und trägt im PR-Film der Turnierveranstalter auch brav seinen Mund-Nase-Schutz.

Aber nach dem Debakel bei seiner Adria-Tour, wo auf Abstandsregeln gepfiffen wurde und sich nicht nur Herr und Frau Djokovic persönlich, sondern auch etliche andere Profis angesteckt haben, hätte man von ihm ein anderes Verhalten erhoffen können. Jahrelang hat sich Djokovic um mehr Anerkennung als weltbester Tennisspieler bemüht. Nun zeigt er zum wiederholten Male, dass er das Format nicht hat. Er spricht übrigens von einer "Hexenjagd" gegen seine Person. Der Sportkamerad Grigor Dimotrov, den das Virus schwer aus der Bahn warf, dem es nicht nur seine Fitness, sondern auch seinen Geruchs- und Geschmackssinn raubte, wird lange nicht mehr auf dem Niveau spielen können.

Einige Topstars bleiben zu Hause

Keine Zuschauer, riskanter Austragungsort: die Tennis-Anlage von Flushing MeadowsBild: Reuters/USA TODAY Sports/R. Deutsch

Viel hätte man darum gegeben, dazu ein paar Worte von Roger Federer zu hören. Doch den schützt eine Knieverletzung - ganz klar, dass er in der Schweiz bleibt. Rafael Nadal? Bleibt auch in Europa. Simona Halep ebenfalls. Die deutschen Spitzenprofis Angelique Kerber und Alexander Zverev treten hingegen in New York an. Mögen sie gesund bleiben. Das gilt übrigens auch für die etwas weniger gut betuchten Profis, die sich nicht über eine Qualifikation in das Feld der Besserverdiener spielen konnten, da es eine Qualifikation schlicht nicht gibt. Oder für die, die sich nach einem positiven Corona-Test in Quarantäne begeben sollen.

Die US Open 2020? Das fragwürdigste Tennisturnier der Welt. Der Deutsche Tennis-Bund (DTB) hat es mit seiner nur regionalen Turnierserie gut gemacht. Der All England Lawn Tennis & Croquet Club AELTC noch besser: Grand-Slam-Tennis in Pandemie-Zeiten? Wimbledon? Fällt aus. Für alle, die gerade jetzt ihr Paris-Ticket für die French Open buchen wollen: Die Bundesregierung hat vor Reisen in die Stadt mit dem Eiffelturm gewarnt. 

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