Deutschland ist empört. Nur wenige Stunden nach der Veröffentlichung eines Interviews des US-Botschafters in Deutschland, Richard Grenell, werden die ersten Rufe laut, ihn des Landes zu verweisen. Der Grund: In einem Gespräch mit dem rechten US-Portal Breitbart hatte der Trump-Mann erklärt, er wolle konservative Kräfte in Europa stärken, die gegen das Establishment sind. Die Passagen, in denen er von der schweigenden Mehrheit spricht, dem Wohlergehen der normal arbeitenden Menschen, der Kritik an der aktuellen Flüchtlingspolitik und überhaupt dem Abgehobensein der politischen Eliten, könnte er auf einer Veranstaltung der rechtskonservativen AFD wiederholen - der Applaus wäre ihm sicher. Es ist dabei nicht das erste Mal, dass Grenell sich so explizit in die Geschicke Deutschlands einmischt. Kaum im Amt, hatte er bereits deutsche Firmen aufgefordert, sich aus dem Iran-Geschäft zurückzuziehen. Hintergrund ist der transatlantische Streit um das Atomabkommen mit Iran.
Bis dato unerhört
In der Tat war es bis dato unerhört, dass sich ein Botschafter so explizit in die Politik des Landes einmischt, in das er entsandt ist. Bisher war die Aufgabe viel eher, das eigene Land zu erklären, Brücken zu bauen, Konflikte zu befrieden. Wer sich aber nun aufregt und wundert, dass Grenell seine Aufgabe ganz anders definiert, hat noch immer nicht verstanden, dass mit diesem Präsidenten im Weißen Haus alles anders ist. Auch das bisherige diplomatische Geschäft.
Trump ist ein Geschäftsmann, der aus dem Show-Geschäft kommt, und dort seine größten Erfolge gefeiert hat. Sein Verständnis von Politik ist nicht "die Kunst des Möglichen", wie es der erste Reichskanzler Otto von Bismarck einst definierte. Wie allen Populisten geht es Trump und seinen Leuten um den größtmöglichen Effekt. Wenn Grenell nun also in Deutschland von Ketten-Migration spricht und zugleich den österreichischen Hardliner Sebastian Kurz lobt, weiß er genau, was er tut. Er will jene Kräfte in Europa ermutigen, die wie Trump die bestehende Ordnung herausfordern. Er adressiert dieses Interview an die rechtsnationalen Staatschefs etwa in Ungarn oder Polen. An jene also, die Europa in seiner bestehenden Form anzweifeln.
Zusammenhalt der EU soll geschwächt werden
Geschickt nutzt Grenell - wie sein Chef im eigenen Land - dabei nicht nur die Ängste der Menschen, um zu punkten. Er nutzt auch die Schwächen des Systems, um eine neue Ordnung auf dem Alten Kontinent heraufzubeschwören. Einer Ordnung, die den Zusammenhalt der EU schwächt und damit an erster Stelle Amerika helfen soll.
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Schrille Töne, Aufgeregtheiten und Rücktrittsforderungen helfen nicht weiter, um dieser Strategie der Schwächung der EU etwas entgegenzusetzen. In diesem Wettstreit um die lautesten Töne wird immer Trump gewinnen. Deutschland mit seinen europäischen Partnern bleibt nichts anderes übrig als zu akzeptieren, dass auf Donald Trump kein Verlass mehr ist. Dass er im Gegenteil Europa nicht nur mit einem Handelskrieg droht, sondern jetzt sogar einen seiner Top-Diplomaten in Europa nutzt, um die Spaltung der Union zu beschleunigen.
Es kann nur eine Antwort auf diese neue Form des transatlantischen Verhältnisses geben: Ein klarer Zukunftsvertrag für Europa. In dem nicht nur die großen, sondern auch die kleinen Länder ihren Platz finden. So bitter es ist: Für den Moment ist aus dem ehemaligen Verbündeten USA eine Gefahr geworden, die die Spaltung befeuert. Daran besteht nach diesem Interview kein Zweifel mehr.
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