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Politik

Die verdammten Populisten

Kommentarbild Muno Martin
Martin Muno
25. September 2019

Ein Gottgesandter, ein Wüterich und einer, der Volk und Königin hintergangen hat: Der gestrige Tag brachte ans Tageslicht, wie sehr die Demokratie vielerorts bedroht ist. Und zwar durch Populisten, meint Martin Muno.

Bild: Reuters/J. Ernst

Was war das für ein Tag! Zum Auftakt des Dienstags fügte der Oberste Gerichtshof dem britischen Premierminister Boris Johnson eine Niederlage zu, die zu früheren, normalen Zeiten als vernichtend bezeichnet worden wäre. "Rechtswidrig, null und nichtig" sei die von ihm initiierte Verhängung einer Zwangspause für das britischen Parlament, heißt es in dem einstimmig ergangenen Urteil. In jenen früheren Zeiten hätte dieses Verdikt das Aus eines jeden britischen Regierungschefs bedeutet, auch des gerade erst ins Amt gekommen Mannes, der auf skrupellose Art versuchte, die ungeschriebene Verfassung zu beugen, die Königin zu hintergehen und den Souverän - sprich: das vom Volk gewählte Parlament - mundtot zu machen. Aber die Zeiten sind anders. Johnson will im Amt bleiben, und er - so viel sei prophezeit - wird einstweilen auch im Amt bleiben.

Undenkbar wäre vor wenigen Jahren auch noch der Auftritt eines gewählten Präsidenten, der sich als quasi von Gott gesandt einführte: Er danke Gott für die Möglichkeit, "die Wahrheit wieder neu zu etablieren", sagte Jair Bolsonaro zum Auftakt seiner Rede vor der UN-Vollversammlung. Was er darunter versteht, erklärte er gleich: "Es ist ein Irrglaube, dass der Amazonas die Lunge der Welt ist." Und: "Unsere Regenwälder sind praktisch makellos." Das brasilianische Institut für Weltraumforschung hatte vor wenigen Wochen allerdings mitgeteilt, dass sich die Vernichtung der Regenwälder im brasilianischen Amazonasgebiet binnen eines Jahres nahezu verdoppelt habe.

DW-Redakteur Martin Muno

Auch der dritte Auftritt war bizarr: Donald Trump, der Großmeister des Populismus, spricht ebenfalls vor den Vereinten Nationen. Sein Gang zum Redepult, seine Mimik, seine monoton abgelesene Rede: All das zeigt die Verachtung, die er für diese Versammlung der Weltgemeinschaft übrig hat. Und er sagt das auch klar: "Die Zukunft gehört nicht den Globalisten, sondern den Patrioten." Sprich: Wenn jeder gegen jeden kämpft, geht es allen besser. Dass Trump nach seiner Rede mit einem Amtsenthebungsverfahren konfrontiert wurde, setzte dem Tag dramaturgisch die Krone auf.

Nicht zum Lachen

Um es klar zu stellen: Es geht hier nicht um all die blutbefleckten Diktatoren, die sich ebenfalls in New York einfanden. Es geht um gewählte Politiker, die in Staaten herrschen, in denen es noch weitgehend demokratische Strukturen gibt.

Man könnte lachen über die überheblichen, raumgreifenden und jeder Wahrheit Hohn sprechenden Politiker. Diese drei mittelalten bis alten Männer scheinen so gar nicht in die komplexe, digitale Welt des 21. Jahrhunderts zu passen, wo eigentlich der bärtige Nerd der männliche Archetypus sein sollte.

Doch dem ist nicht so. In vielen Ländern tobt der Kampf der Populisten mit der Demokratie, nicht nur in Großbritannien, Brasilien und den USA. Wäre es in Italien zu Neuwahlen gekommen, wäre der Rechtsextremist Matteo Salvini neuer Ministerpräsident geworden. In Ungarn, Polen oder Tschechien regieren Populisten schon seit Jahren. In Frankreich hat lediglich der weitgehend selbst mit populistischen Tricks regierende Liberale Emmanuel Macron das Aufkommen einer rechtspopulistischen Regierung verhindert.

Liberaler mit populistischen Methoden: Frankreichs Präsident Emmanuel Macron vor der UN-VollversammlungBild: Reuters/L. Jackson

Und wo immer sie regieren, gehen sie auf den selben drei Wegen vor, um die Demokratie auszuhöhlen: Sie versuchen, den Unterschied zwischen Wahrheit und Lüge zu verwischen, indem sie selbst ständig lügen, und indem sie die freien Medien gängeln. Das kann durch einfaches Diskreditieren geschehen, etwa wenn von "Fake News" die Rede ist, durch Verbote oder den Aufkauf privater Verlage.

Der Hammer

Der zweite Weg ist die Schaffung eines Feindbildes: Seien es Minderheiten im Land, Flüchtlinge, Migranten, Angehörige anderer Religionen oder einfach nur Intellektuelle. Das "wir hier gegen die da", ist quasi der Hammer in der Werkzeugkiste des Populismus. Und jeder, der Kritik an Trump, Bolsonaro & Co. äußert, stellt sich automatisch außerhalb dieses "Wir"-Kollektivs.

Der dritte Weg ist der Versuch, die demokratischen Institutionen zu schwächen oder gar aufzulösen. Hier setzte Boris Johnson gleich doppelt an, indem er das Parlament einerseits zum Schweigen bringen wollte und andererseits ankündigte, sich nicht an Unterhausbeschlüsse zu halten. Dass er mit dem Königshaus die einzige Institution, die im vom Brexit zerrissenen Großbritannien noch allgemein geachtet wird, für seine Zwecke einspann, könnte sich als großer Fehler erweisen.

Die Frau mit der Spinnenbrosche: Lady Brenda Hale, Präsidentin des Obersten Gerichtshofes von GroßbritannienBild: Reuters TV

Doch gerade der Fall Johnson zeigt, dass Demokratien nicht wehrlos sind: Es ist bezeichnend, dass mit Lady Brenda Hale, der Präsidentin des Obersten Gerichtshofes, ausgerechnet eine gebildete Frau mit ruhigen, gesetzten, rationalen Argumenten dem Parlament wieder zu seinem Recht verhalf. Die Frau mit der Spinnenbrosche bremst den ungestümen Premier mit der Kraft der Worte. Das ist tröstlich.

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