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Die wehrlose Gesellschaft

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Alexander Kudascheff
15. Juli 2016

In immer kürzeren Abständen werden ganz normale Bürger von islamistischem Terror heimgesucht. Inzwischen besteht die Gefahr, dass die offenen Demokratien sich verändern, meint DW-Chefredakteur Alexander Kudascheff.

Bild: Reuters/D. Gray

Der Terror, der islamistische Terror hat sich längst zum Albtraum entwickelt. Er greift die freien Gesellschaften überall an: in Restaurants, Flughäfen, Hotels, Fußballstadien, Clubs, im Zug, am Strand, vor Schulen und jetzt auch auf der Straße. Der Terror ist überall, und die Menschen in freien Gesellschaften - und nicht nur dort - empfinden zunehmend Angst. Sie spüren und fühlen die Gefahr, die Bedrohung, die überall lauert - im Alltag wie im Urlaub.

Die Demokratien - und ganz besonders Frankreich, das nun seinen dritten entsetzlichen Terroranschlag erleidet - sind durch den Terror herausgefordert. Sie sind im aufgezwungenen Krieg gegen den Terror gelandet. Es ist ein asymmetrischer Krieg. Einzelgänger oder kleine, ja kleinste Gruppen ohne großen logistischen Aufwand töten wahllos Menschen. Und die Demokratien müssen um ihre Freiheit, um ihre Freiheiten fürchten.

Der Terror ist allgegenwärtig

Der Staat, so scheint es, kann seine wichtigste Aufgabe nicht mehr wahrnehmen. Trotz Kriminalämtern, trotz Geheimdiensten, trotz einer zunehmenden Überwachung der Bürger, trotz einem immensen Aufwand an Polizei - der Staat kann seine Bürger nicht schützen. Der Terror ist allgegenwärtig, denn er kommt aus den Gesellschaften selbst heraus.

Fasziniert von der Kraft des Islamismus, beseelt vom Dschihad machen sich junge Menschen, meist Männer, auf den Weg - unsere, ja ihre Gesellschaft herauszufordern. Sie töten wahllos, aber nicht ziellos. Sie wollen die freien Gesellschaften erschüttern, und es gelingt ihnen. In dem Maße, indem die traditionellen Sicherheitskräfte die Bürger nicht mehr schützen können, werden die Bürger ihre bisher gerade in Frankreich und England beispielhafte Gelassenheit verlieren. Es drohen gesellschaftliche Zustände, in denen der Hass, die Ablehnung, der Rassismus triumphieren. Ein Alptraum für eine offene Gesellschaft.

DW-Chefredakteur Alexander Kudascheff

Den Albtraum "Islamischer Staat" beenden

Und natürlich muss jetzt Krieg geführt werden: gegen den IS. Das ist politisch nötig, aber eben auch heikel, weil man dann auf der Seite der Russen und des syrischen Schlächters Baschar al Assad steht. Aber es führt wohl kein Weg daran vorbei. Rakka muss eingenommen, der IS besiegt, die überlebenden Kämpfer vor Gericht gestellt werden, der fürchterliche Traum eines islamischen Kalifats beendet werden. Dazu muss man - auch wenn es politisch und diplomatisch unappetitlich ist - mit allen Mächten zusammenarbeiten. Und dann muss man sich fragen, warum so viele junge Muslime im säkularen Europa, aber auch im religiös vielfältigen Amerika, der Faszination eines gewalttätigen Islams verfallen? Was bricht Ihre Identität so, dass sie dem selbst ernannten Kalifen in Rakka folgen oder gefolgt sind, oder sie im Netz begeistert Selbstmordattentätern huldigen und sie als Helden feiern?

Das ist auf jeden Fall ein längerer gesellschaftlicher Prozess. Davor aber werden die freien Gesellschaften lernen, ja lernen müssen, ihre Wehrlosigkeit zu überwinden. Der Druck auf die Sympathisantenszenen muss erhöht werden. Es muss rigoroser durchgegriffen werden. Die Muslime müssen sich auch von klammheimlicher Sympathie für Hassprediger lösen und sie aus den Moscheen werfen. Die passive Toleranz muss eingestellt werden, um die Freiheit, um unseren freiheitlichen Lebensstil zu verteidigen. Sonst werden die Gesellschaften sich ändern. Und zwar von der Demokratie weg. Der Front National in Frankreich lässt grüßen.

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