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Politik

Das kann nicht euer Ernst sein!

Barbara Wesel Kommentarbild App *PROVISORISCH*
Barbara Wesel
18. Juli 2017

Der Geduldsfaden in Brüssel wird in puncto Brexit immer dünner. Die britischen Unterhändler treten ohne klare Verhandlungspositionen an. Wenn London nicht umsteuert, fährt der Karren an die Wand, meint Barbara Wesel.

Bild: Getty Images/T.Charlier

Da sitzen sie, die Verhandlungsführer für die Brexit-Gespräche: zur Linken die EU-Vertreter mit ihren Aktenstapeln, zur Rechten die Briten in Betrachtung des leeren Tisches vor sich. Haben sie vielleicht alle Einzelheiten im Kopf? Oder ist ihr Ziel der "papierlose Brexit", wie Spötter inzwischen vermuten? Das Bild aber ist ein Symbol für den Zustand der Gespräche: Die EU weiß längst, wie sie sich den Brexit vorstellt, von britischer Seite aber kommt nichts. So kann man nicht verhandeln.

Eine kurze Show

Der Eindruck der Führungs- und Ziellosigkeit bei den Verhandlungen wird noch verstärkt durch den absurden Auftritt von Brexit-Minister David Davis am Montag in Brüssel: Er kam, lächelte, mahnte zur Ernsthaftigkeit und fuhr wenig später wieder ab. Das Ganze war nur eine Show für die Fernsehkameras! Davis war nicht angereist, um mit seinem Gegenüber Michel Barnier in echte Verhandlungen einzutreten, sondern nur, um kurz Präsenz zu zeigen.

Er hatte in London augenscheinlich Wichtigeres zu tun. Angesichts der dünnen Regierungsmehrheit wird bei Abstimmungen jede Stimme im Parlament gebraucht. Außerdem hat er sich selbst als möglicher Nachfolger von Theresa May ins Spiel gebracht. Die Gerüchte über eine Palastrevolte bei den Tories wollen nicht verstummen. David Davis ist also gerade auf einer anderen Baustelle extrem engagiert und hat deswegen gar keine Zeit für die zähen Verhandlungen in Brüssel. Die delegiert er an Sherpas und Spezialisten, was durchaus normal ist, wenn es um Einzelheiten geht. Um politische Leitlinien und kritische Entscheidungen aber müssen sich die Chefs schon selbst kümmern. 

Chaos in London

In der britischen Hauptstadt allerdings regiert weiter das Chaos. Dort bringen fünf Minister innerhalb von einem Wochenende zehn verschiedene Meinungen über den Brexit in Umlauf. Schatzkanzler Philip Hammond will ihn möglichst wirtschaftsfreundlich, mit langen Übergangsfristen. Handelsminister Liam Fox will ihn lieber Ruck-Zuck, weil er von tollen Freihandelsabkommen mit den südpazifischen Inseln träumt. Außenminister Boris Johnson wischt die europäischen Forderungen nach einer Schlussrechnung mit einem dummen Spruch vom Tisch. Brexit-Minister David Davis wiederum erkennt an, dass Großbritannien wohl etwas zahlen müsse, tut das aber nur informell. Und er bringt bislang keine Vorschläge mit nach Brüssel, wie man dieses besonders umstrittene Thema voran bringen könnte.

Für die EU aber ist klar, dass die Gespräche zum Stillstand kommen, wenn die Briten nicht wenigstens prinzipiell ihre Zahlungsverpflichtung anerkennen. Und sie sollten auch deutlich machen, welche Forderungen eigentlich unstrittig sind. Ein Blick in die EU-Verträge und die laufende Haushaltsplanung würde da erste Klarheit bringen.

Barbara Wesel ist Korrespondentin in Brüssel

Ruderloses Schiff

In Brüssel könnte man sich im Grunde zufrieden zurück lehnen und zusehen, wie das britische Chaos seinen Lauf nimmt, denn die Zeit arbeitet für die EU. Je mehr Monate dahin gehen, desto stärker wird der Druck auf die britische Seite. Spätestens im Herbst nächsten Jahres muss es dann im letzten Moment eine Einigung geben. Und je größer dieser Druck, desto mehr könnte London gezwungen sein, den Europäern Konzessionen zu machen, die derzeit noch als unerträglich abgelehnt werden. Da geht es zum einen um Geld, aber auch um den Europäischen Gerichtshof und viele andere Streitfragen.

Wenn es aber kein Verhandlungsergebnis gibt, dann folgt der Brexit durch Sturz von der Klippe, der harte Abriss der Beziehungen. Zwar hatte Theresa May in ihren übermütigeren Zeiten den Satz "Kein Deal ist besser als ein schlechter Deal" in die Welt gesetzt, aber längst läuft die britische Wirtschaft dagegen Sturm: Es gebe ein ökonomisches Desaster, dessen Ausmaß von den Brexiteers völlig unterschätzt werde. Zunehmend werden Umzugspläne von Firmen und Banken bekannt, die EU-Niederlassungen brauchen, um ihre Geschäfte fortzusetzen.

In London aber ist die Regierungspartei weiter mit sich selbst und ihrem Bürgerkrieg beschäftigt. Theresa May kann keine Ordnung mehr schaffen, ihre Minister kämpfen entweder um ihre Nachfolge in Downing Street oder um ihre eigene politische Zukunft. Die Brexit-Verhandlungen dümpeln währenddessen ruderlos vor sich hin.

Fällt der Brexit am Ende aus?

In Brüssel gibt es durchaus Schadenfreude über die politische und diplomatische Unfähigkeit der Briten. Aber auf das Gelächter folgt das Entsetzen über die Verantwortungslosigkeit der Regierung in London. Die Erwachsenen sitzen hier auf Seiten der EU, und sie wollen einen geordneten Brexit vereinbaren, der für alle Beteiligten den geringsten Schaden bringt.

In der europäischen wie in der britischen Hauptstadt allerdings mehren sich inzwischen die Stimmen derer die glauben, der Brexit könne am Ende wegen reiner Unfähigkeit ausfallen. Weil die britische Regierung ihn einfach nicht hinbekommt: Ein Fall von Politik als absurdem Theater.

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