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Politik

Weiterkämpfen ohne Strategie

22. August 2017

Afghanistan ist inzwischen der längste Krieg in der US-Geschichte. Der neue Präsident will den Krieg fortsetzen. Wie lange noch und mit welchem Ziel - das bleibt nach Trumps jüngster Rede offen, meint Sandra Petersmann.

Bild: Reuters/J. Smith

Neu ist allein der Ton, den Trump anschlägt: "Wir werden keine Nationenbildung mehr betreiben. Wir töten Terroristen." Damit löst er sich von der verbalen Maskerade vieler westlicher Politiker. Auch seine beiden Amtsvorgänger, die Präsidenten Obama und Bush Junior, hatten den Einmarsch in Afghanistan immer wieder mit Demokratie-Export und dem Schutz der Menschenrechte begründet - obwohl beide Präsidenten in Ermangelung einer politischen Strategie stets dem Militärischen Vorrang einräumten. So wie Trump jetzt auch. 

Kontinuität statt neue Strategie

Trump machte klar, dass es im ureigensten amerikanischen Interesse sei, sich weiter in Afghanistan zu engagieren. Er habe dort "große, komplizierte Probleme" geerbt, aber er sei ein "Problem-Löser". "Und am Ende werden wir gewinnen", fügte er an. Er verzichtete darauf zu definieren, was das politisch bedeuten würde. "Unsere Truppen kämpfen, um zu gewinnen. Ab jetzt wird der Sieg klar definiert: unsere Feinde attackieren, den IS auslöschen, Al Kaida vernichten, die Taliban daran hindern, Afghanistan zu übernehmen". Dafür wird er einen sehr, sehr langen Atem brauchen. Und was passiert, wenn wieder mehr Särge mit getöteten US-Soldaten zurück in die Heimat geflogen werden?

Trump nannte keine Zahlen für die geplante Truppenaufstockung, er sprach auch nicht über einen zeitlichen Horizont für das Ende der Mission. Nur soviel: "Die Realität am Boden, keine willkürlichen Zeitpläne, werden von nun an unsere Strategie steuern."

DW-Redakteurin Sandra Petersmann berichtet regelmäßig als Reporterin aus AfghanistanBild: DW/Becker-Rau

Der US-Präsident hat angekündigt, dass er die Einsatzregeln der US-Soldaten lockern wird. "Mikromanagement aus Washington gewinnt keine Schlachten", sagte er wörtlich und fügte an, dass Frontsoldaten "in Echtzeit" handeln können müssten.

Das klingt nach mehr Drohnen. Nach mehr Luftangriffen. Nach mehr Gefechten und Schüssen. Nach mehr Krieg und mehr Tod. Es klingt altbekannt. Die USA finden unter Trump zurück in den Kampfeinsatz. Den NATO-Partnern wird das nicht gefallen. Sie haben zwar schon vor Wochen Unterstützung signalisiert, doch es soll unter allen Umständen der Eindruck vermieden werden, dass die NATO in Afghanistan Krieg führt. Aber dieser Spagat wird auf Dauer nicht durchzuhalten sein. 

Pakistan - der schwierige Verbündete

Altbekannt sind auch die verbalen Drohungen Richtung Pakistan. "Wir können nicht länger über die sicheren Rückzugsgebiete für Terrororganisationen, die Taliban und andere Gruppen in Pakistan schweigen", betonte Trump. Das haben andere vor ihm auch schon so ähnlich gesagt: Obama. Clinton. Cheney. Rumsfeld. Alle haben über das mutmaßliche pakistanische Doppelspiel auf dem afghanischen Schlachtfeld gesprochen. Geklagt. Gedroht. Gelegentlich an der Geldschraube gedreht. Und es dabei belassen.

Denn Pakistan ist atomar bewaffnet und als Partner unverzichtbar. Sogar die Versorgung der US-Truppen in Afghanistan hängt an Pakistan. Trump hat Pakistan aufgefordert, seinen "Einsatz für die Zivilisation, für Ordnung und Frieden zu demonstrieren." Aber was wird er tun, wenn Pakistan weiter seine eigenen Ziele verfolgt? Sanktionen verhängen? Noch mehr Drohnen schicken? Alle Militärhilfen streichen? Liebesschwüre Richtung Indien senden? Das würde China noch stärker ins Spiel bringen als bisher.

In der Sackgasse

Spätestens an dieser Stelle fällt auf, dass Trump kein Ass aus dem Ärmel gezogen hat - keine politische Vision, die die Region als ganzes in den Blick nimmt. Das war schon der Kardinalfehler zu Beginn der US-geführten Invasion vor 16 Jahren. Das afghanische Schlachtfeld war und ist überfüllt. 

Es geht nicht allein um Pakistan. Auch Indien, Iran, Russland, China und Saudi-Arabien verfolgen eigene Interessen. Alle suchen und finden Verbündete in Afghanistan. Allianzen sind fließend, es geht immer nur um den eigenen Vorteil. Die vielen Akteure destabilisieren sich gegenseitig, Afghanistan ist seit Jahrzehnten ein Schauplatz für ideologische und militärische Stellvertreterkriege.

Es spielt den ausländischen Akteuren in die Hand, dass Afghanistan nach bald vier Jahrzehnten Dauerkrieg politisch, sozial und ethnisch fragmentiert ist. Die westliche Intervention vor 16 Jahren hat in einen ungelösten Bürgerkrieg eingegriffen. Es gibt keine Einheitsregierung in Kabul. Das Bündnis von Präsident Ghani und Regierungsgeschäftsführer Abdullah ist tief zerstritten. Vizepräsident Dostum hat das Land verlassen, um Ermittlungen wegen der mutmaßlichen Entführung und Vergewaltigung eines politischen Rivalen zu entgehen.

Korrupte Könige als angebliche Stabilisatoren

Regionale Machthaber wie Gouverneur Atta aus der nördlichen Provinz Balkh führen sich auf wie absolutistische Könige. Sie können es, weil der Westen sie als mutmaßliche Stabilisatoren stützt und finanziert. Solche Könige dürfen korrupt sein, sich sogar eigene Milizen halten und ihre Bevölkerung drangsalieren. Das führt zu einer wachsenden Distanz zwischen der Regierung in Kabul und den Bürgern und spielt den Taliban in die Hände. Die Kultur der Straflosigkeit ist ein Garant für Terror.

Auch Präsident Trump wird erkennen müssen, dass man den Sieg in Afghanistan nicht herbeibomben kann. Es wird, irgendwann einmal, auf lange, komplizierte Verhandlungen hinauslaufen. Wenn alle erschöpft sind. Das ist der Stand der Dinge heute: keine neue Strategie. Sondern die Fortsetzung des Krieges, den keiner gewinnen kann. Terror ist immer auch die Antwort auf ein politisches Vakuum.         

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