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Politik

Perfider Angriff auf das Recht

Porträt eines Mannes mit blauem Sakko und roter Krawatte
Bernd Riegert
13. Juni 2020

Mit persönlichen Sanktionen gegen Richter wollen die USA das internationale Gericht für Kriegsverbrechen zum Schweigen bringen. Das dürfen sich die europäischen Verbündeten nicht gefallen lassen, meint Bernd Riegert.

Bild: Reuters/P. van den Wouw

Der Frontalangriff auf den Internationalen Strafgerichtshof durch die Trump-Regierung kam nicht überraschend. Die Drohung Richter, Bedienstete und sogar deren Familienangehörige mit Sanktionen zu belegen, steht schon seit einem Jahr im Raum. Jetzt soll sie offenbar umgesetzt werden.

Damit stellt sich die amerikanische Regierung ein weiteres Mal gegen internationale Einrichtungen und Institutionen. Der Präsident folgt einem bekannten Muster. Beim Internationalen Strafgerichtshof wiegt der Vorgang allerdings schwerer als bei der UNESCO, der WTO, der WHO oder den G20, denen Trump mit einer Mischung aus Drohung und Liebesentzug seinen "America first"-Stempel aufzudrücken versucht.

Kein "Känguru"-Gericht

Der Gerichtshof in Den Haag ist eine überstaatliche Einrichtung, die von 123 Mitgliedsstaaten getragen wird. Sie wurde nach bitteren Erfahrungen mit Völkermord in Afrika und im ehemaligen Jugoslawien Ende der 1990er-Jahre geschaffen. Die USA gehören nicht zu den Mitgliedsstaaten des Gerichts, ebenso wenig wie Russland, China, Iran oder Israel. Über die USA hat der Gerichtshof deshalb auch gar keine Jurisdiktion. Ein "Känguru"-Gericht, wie US-Außenminister Pompeo ihn abfällig nannte, ist er dennoch nicht. Der Gerichtshof ist eine internationale Einrichtung, die ein Mindestmaß an Respekt verdient - auch von einem populistisch-nationalistischen Außenminister.

Europa-Korrespondent Bernd Riegert

Die Angst der USA vor den Ermittlungen des Gerichtshofes, die von keinem anderen NATO-Verbündeten geteilt wird, ist schon fast paranoid. Nicht erst Donald Trump hat das Strafgericht, vor dem US-Bürger nur theoretisch landen könnten, ins Visier genommen. Bereits US-Präsident Bill Clinton zog die ursprünglich geplante Mitgliedschaft der USA beim Gerichtshof wieder zurück. Und Präsident George W. Bush rief zum Widerstand gegen das Gericht auf.

Im konkreten Fall, den die Trump Regierung jetzt mit Sanktionen gegen das Personal des Gerichts abwürgen will, geht es um Afghanistan. Die Ermittler sollen sich mit den Vorgängen in dem seit 19 Jahren andauernden Einsatz der internationalen Truppen in Afghanistan beschäftigen, das übrigens Mitglied ist und deshalb auch der Rechtsprechung aus Den Haag unterliegt.

Die USA müssten bei Prozessen gegen US-Bürger mitwirken

Die Ermittlungen sind eine Voruntersuchung ohne konkrete Beschuldigte. Mögliche Kriegsverbrechen aller Seiten - der Taliban, der afghanischen Armee, verschiedener War-Lords, der NATO-geführten Internationalen Schutztruppe und der separaten Mission der US-Armee - sollen geprüft werden. Das Gericht wird nur tätig, wenn die Rechtsprechung des untersuchten Landes selbst versagt. Prozesse gegen US-Bürger wären nur möglich, wenn die USA mitwirken und die Beschuldigten an das Gericht überstellen. Da sie das erklärtermaßen niemals tun werden, ist also die Behauptung, es drohe willkürliche Strafverfolgung, ziemlich überzogen.

Jahrelang war der Internationale Strafgerichtshof dafür kritisiert worden, dass er sich nur mit Fällen in Afrika beschäftigte. Einige afrikanische Staaten drohten mit einem Verlassen des Gerichtshofs, eine Reihe von Staaten in Afrika ist bis heute nicht Mitglied des Gerichts. Russland macht nicht mit, weil es eine Untersuchung der Annexion der Krim befürchtet. Israel kritisiert Vorermittlungen wegen seiner Besetzung der Palästinensergebiete. Die USA sind mit ihrer Ablehnung des Gerichts also keineswegs allein.

Beispiellose Methoden

Nur die Methoden des amerikanischen Präsidenten sind beispiellos. Richter und Staatsanwälte und deren Familien zu drangsalieren, ist für eine westliche Demokratie doch ziemlich einzigartig, nicht zu rechtfertigen und deshalb widerlich. Damit darf Trump auf keinen Fall durchkommen. NATO-Staaten und die EU sollten nicht einknicken. Denn sonst war der mühsame Versuch, eine internationale Rechtsordnung zu schaffen, umsonst. Es muss die "Herrschaft des Rechts" gelten, nicht das Recht des vermeintlich Stärkeren im Weißen Haus.

Bernd Riegert Korrespondent in Brüssel mit Blick auf Menschen, Geschichten und Politik in der Europäischen Union
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