Hoch oben an der Semperoper hängt ein Plakat. "Wir sind kein Bühnenbild für Fremdenhass", haben die Kreativen formuliert. Und aus diesem Grund blieb das Gebäude, sonst eines der hell erleuchteten Aushängeschilder Dresdens, dunkel an diesem Abend. Eine dunkle Kulisse für ein anderes Deutschland.
Zum ersten Jahrestag der "Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes" (Pegida) haben die Initiatoren zur Kundgebung auf den Theaterplatz geladen. 15.000 Teilnehmer sind es wohl, vielleicht auch bis zu 20.000. Und Front-Mann Lutz Bachmann hat europäische Rechtspopulisten geladen. Es werden drei dunkle deutsche Stunden.
Pirinccis widerwärtiger Auftritt
Der erste Ruf des Abends, noch vor dem offiziellen Kundgebungsbeginn, lautet "Merkel muss weg". Der häufigste "Widerstand". "Stargast" an diesem Abend, von Lutz Bachmann stolz angekündigt, ist der Deutschtürke Akif Pirincci. Und seine Ausführungen sind - man muss es so sagen - demagogisch, widerwärtig, obszön. Da sind Politiker "Gauleiter gegen das eigene Volk". Flüchtlinge "vorerst Invasoren". Bald heißt es: "Die KZs sind ja leider derzeit außer Betrieb." Pirincci zitiert irgendwie den Sprecher einer muslimischen Gemeinde in Erfurt - "der mit der deutschen Kultur so viel gemein hat wie ein Arschloch mit Parfümherstelllung". Und er phantasiert über die Machtübernahme der Fremden in Deutschland, auch über deutsche Frauen, "nachdem sie über sie hergefallen sind und in sie Moslemsaft hineingepumpt haben".
Es geht noch weiter, über die "ausschließlich grün-links versiffte Systempresse" zum Beispiel. Über die "Kinderficker-Partei" der Grünen. Über Mauerschützen und KZ-Schergen. Es soll jetzt reichen. Das also der Stargast und die mit Abstand längste Rede des Abends. Lutz Bachmann war stolz auf ihn, hatte er zuvor gesagt.
Bürger gemeinsam mit Extremisten
Ja, auf dem Theaterplatz standen nicht nur Rechtsextreme. Auch Leute mit Kindern, ältere Ehepaare, Dresdener Bürger. Nein, "Aufhören"-Rufe wurden bei Pirinccis primitiver Rede nicht laut. Wer hier steht, will nicht ein anderes Deutschland. Er lebt schon in einem anderen Land. Ein Land, das mein Deutschland nicht ist.
Man verspürt auch Respekt an diesem Abend. Vor Leuten wie der jungen Frau, die vor Beginn der Pegida-Vorstellung lange mit einem einfachen Schild "Refugees welcome" an einem der Eingänge steht und sich beschimpfen lässt. Vor den Polizisten, die je später der Abend je mehr Schwierigkeiten haben, Rechtsextreme und Hooligans von linken Gegendemonstranten zu trennen. Und manchmal hilft nur berittene Polizei, die dazwischenprescht. Denn aggressiv sind beide Seiten. Auch Respekt vor "denen da oben", vor Berliner Spitzenpolitikern wie Angela Merkel, Thomas de Maizière, Heiko Maas oder Katrin Göring-Eckardt, die hier wahrlich abstoßend beschimpft werden. Oder auch vor dem Leiter des Ordnungsamtes Dresden, den Bachmann zum Ende hin mehrfach namentlich und mit dienstlicher Anschrift nennt und für die Schwierigkeiten angesichts der Gegendemonstrationen verantwortlich macht.
Ein Milieu wird zur Herausforderung
Aber die Politik und die Justiz müssen handeln. Bundesinnenminister de Maizière sprach vor diesem Montag von "harten Rechtsextremisten" im Kern von Pegida. Dürfen die dann so auftreten? Wer hat die Kraft, jenen andere Angebote zu machen, die hier klatschen und grölen und hinterher prügeln wollen? Wer geht den mitlaufenden Familien nach? "Politik und Zivilgesellschaft" sagt man so schön. Aber in Dresden, in Sachsen wurde und wird lange darüber hinweggeredet. Und die Bundeskanzlerin hat schon in ihrer Neujahrsansprache scharf mahnend auf die Gefahr der Populisten hingewiesen. Das Pegida-Milieu - es wird zur dunklen Herausforderung neben der Flüchtlingsfrage. Nur ein Indiz: Mehrere Journalisten wurden an diesem Abend beschimpft oder körperlich angegangen. Und ein Reporter der Deutschen Welle wurde, als Journalist erkennbar, in der Menge plötzlich geschubst und geschlagen und konnte einer bedrohlichen Situation mit Glück entkommen.
An diesem Montagabend war die Semperoper eben doch ein "Bühnenbild für Fremdenhass" und weit mehr. Dresden wirkt zerrissen. Und die Stadt leuchtet nicht mehr.