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Glaube

Ein Ende - Und etwas Anfang

24. Februar 2019

Unter den Augen der Weltöffentlichkeit sind die Spitzen der Katholischen Kirche in Rom zusammengekommen, um über sexuelle Gewalt gegen Minderjährige zu reden. Das war notwendig, meint Christoph Strack.

Bild: picture-alliance/S. Spaziani

Papst Franziskus hat zum Ende eine wichtige Rede gehalten über das Übel des sexuellen Missbrauchs von Kindern, über die dunklen, kriminellen Seiten des ach so gelobten Internet, über Sextourismus. Aber eins stört mich an dieser Rede fundamental: Ihr bester Ort wäre eine UN-Kinderschutzkonferenz gewesen oder eine vergleichbare Bühne. Hier in Rom, nach diesen Tagen, im Herzen jener Kirche, in der es sexuellen Missbrauch, wie Papst Franziskus kürzlich selbst sagte, nach wie vor und aktuell gibt, wirkte die Rede mehr als ambivalent.

Ja, Franziskus nennt den Missbrauch in Kirche "noch schwerwiegender und skandalöser", vergleicht die Priester-Täter mit "reißenden Wölfen" und "Menschenschindern" und bezeichnet sie als "Werkzeug des Satans". Er setzt zur Bewältigung dieser weltweiten Krise der Kirche auf das "Volk Gottes", auf alle Gläubigen. "Eben dieses heilige Volk Gottes wird uns von Klerikalismus befreien, der den fruchtbaren Boden für all diese Gräuel bildet." Aber dann?

Opfer mussten draußen bleiben

Ein paar Dutzend Missbrauchsopfer aus Europa, Afrika, Asien, Nord- und Südamerika, die als Kinder zu Opfern sexueller Gewalt durch Kleriker wurden, begleiteten diese römischen Tage - draußen vor der Tür. Hinein kamen sie nicht. Nur die polnische Delegation hatte genug Beziehungen, um bis zum Papst zu kommen, und es gibt ein erschütterndes Foto, wie Franziskus die Hand eines Opfers küsst. Andere schafften es nicht in den Vatikan. Aber sie bekamen in diesen Tagen bestätigt, dass Akten vernichtet und Taten vertuscht wurden.

DW-Redakteur Christoph StrackBild: DW/B. Geilert

Ja, das sagen Opfer in Deutschland seit vielen Jahren. Aber da war es meist lästig. Wer Taten, Untaten vertuschte, gehört benannt. Und Akten vernichten sich nicht von selbst. All diese Opfer konnten die Rede des Papstes in der Übertragung hören. Und es dauerte Minute um Minute, bis es erstmals um Missbrauch in der Kirche ging. Und die Frage von Entschädigungen kam gar nicht zur Sprache. Für die einen mag sie ein Randaspekt sein, für andere eine Anerkennung für ein - Entschuldigung - versautes Leben. Nicht zufällig gehen in den USA katholische Bistümer in die Insolvenz.

Ein Ende mancher Lebenslüge

So sind die vier Tage von Rom in vielem ein Endpunkt. Ein Ende kirchlicher Lebenslügen. Niemand kann mehr sagen, sexuelle Gewalt in der Kirche gebe es nur in einzelnen Weltregionen, das eigene Land sei kaum betroffen. Und auch die Vertuschung ist ein weltkirchlich praktiziertes Phänomen, das Verbrechen nach dem Verbrechen. Niemand kann noch den Zusammenhang von Machtmissbrauch und sexueller Gewalt bezweifeln - und die Kirche ist zu oft ein Hort klerikalem Machtmissbrauchs.

Ob diese Tage ein Anfangspunkt werden? Es bleibt zu hoffen. Nichts hier hatte rechtssetzende Wirkung. Während der Beratungen stellte Papst Franziskus ein 21-Punkte-Programm vor. Es könnte - eben als Anfang - durch die Bischofskonferenzen und Rom umgesetzt werden. Jeder Bischof, der hier war, ist in der Pflicht.

Angst vor dem Neuen?

Einige Tage vor der Konferenz hatte der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki zu großen Erwartungen und weitgehenden Reform-Forderungen eine Absage erteilt. "Es ist nicht unsere Aufgabe, jetzt selber eine neue Kirche zu erfinden." Da klingt Angst heraus.

An diesen Satz musste ich denken angesichts mehrerer grandioser Reden, die von drei Frauen während der Konferenz im Vatikan vorgetragen wurden. Es waren die besten Reden dieser Tage, das lässt sich sagen. Gewiss will keine der drei "eine neue Kirche erfinden". Aber jede Wette: die Rede der nigerianischen Ordensoberin Veronica Openibo hätte - wäre sie an diesem Sonntag in katholischen Kirchen Deutschlands oder Europas statt einer Predigt vorgetragen worden - spontanen Applaus bekommen. Openibo mag keine neue Kirche wollen, fordert keine Aufhebung des Zölibats. Sie fragt: "Warum hat die klerikale Kirche so lange geschwiegen?" Und sprach den "Missbrauch von Macht, Geld, Klerikalismus, Gender-Diskriminierung, die Rolle von Frauen und überhaupt von Laien" an. "Zu oft wollen wir schweigen, bis der Sturm vorübergeht. Dieser Sturm wird nicht vorübergehen."

Ja, Rom in diesen Tagen, das war ein Ende und ein Anfang. Ein Ende mancher kirchlicher Lebenslüge. Und das ist schon etwas in einem System bewährter Selbstbeharrung. Und der Anfang mag zaghaft kommen. Und er kommt, wie nicht zufällig die Reden der drei Frauen zeigten, am ehesten durch Impulse von außerhalb des klerikalen Systems.