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Politik

Ein Krieg am Golf hätte nur Verlierer

Sollich Rainer Kommentarbild App
Rainer Sollich
15. Juni 2019

Nach den Angriffen auf zwei Öltanker in der Straße von Hormus weisen die USA dem Iran die Schuld zu. Wie glaubwürdig ist dieser Vorwurf? Könnten auch andere Kräfte dahinterstecken? Rainer Sollich kommentiert.

Die "Front Altair" - eines der beiden am Donnerstag im Golf von Oman angegriffenen TankschiffeBild: picture-alliance/AP Photo/ISNA

Ein verwackeltes Schwarzweiß-Video des US-Militärs zeigt angeblich ein Team iranischer Revolutionsgardisten in einem Schnellboot beim Einsatz in der Meerenge von Hormus. Laut amerikanischer Darstellung entfernen die iranischen Elite-Soldaten eine wohl von ihnen selbst angebrachte, aber beim Angriff nicht explodierte Haftmine vom Schiffsrumpf des Öltankers Kokuka Courageous. Die Entfernung dieses Beweisstücks durch die Iraner zeige, dass Teheran hinter dem Angriff auf die beiden Schiffe in der Straße von Hormus stehe - so zumindest die offizielle amerikanische Sichtweise.

Ist das schon der berühmte "Rauchende Colt", also der "Beweis", der den Täter auf frischer Tat überführt und politisch eine militärische Vergeltungsmaßnahme rechtfertigen könnte? Können wir dem Inhalt und der von den USA mitgelieferten Geschichte dieses Videos Glauben schenken?

Nicht zum ersten Mal falsche Behauptungen

Zweifel scheinen nicht nur naheliegend, weil schon der Krieg gegen den irakischen Diktator Saddam Hussein 2003 auf völlig falschen Behauptungen der damaligen US-Regierung fußte. Wir leben heute überdies in einer zunehmend digitalisierten Zeit, in der die hochprofessionelle Manipulation von Videos und ähnlichen Beweismitteln noch leichter möglich ist als damals. Auf den ersten Blick erscheint es zudem eher unlogisch, dass der Iran (selbst die Fraktion der dortigen Hardliner) den USA bereitwillig einen möglichen Grund für einen Krieg liefert, den er angesichts der militärischen Kräfteverhältnisse am Ende nur verlieren kann - einerseits.

DW-Redakteur Rainer Sollich

Andererseits verweisen Experten darauf, dass Irans Revolutionsgarden tatsächlich "Expertise" im Umgang mit Haftminen haben - und dass Teheran schon in der Vergangenheit mehrfach angedroht hat, den für die Weltwirtschaft und insbesondere den Rohöl-Handel elementaren freien Schiffsverkehr in der Straße von Hormus im Konfliktfall zu sabotieren. Der Angriff auf die beiden Tanker könnte so gesehen also durchaus als ein Versuch Irans interpretiert werden, militärisch einmal gehörig die Muskeln spielen zu lassen. Und so insbesondere den USA zu zeigen: Wir haben unsere eigenen Methoden, wir lassen uns von Euch nicht bezwingen!

Doch das ist Spekulation. Ebenso wie es umgekehrt reine Spekulation ist, eine amerikanische, saudische oder israelische Verschwörung hinter den beiden Angriffen zu vermuten, wie Irans Führung dies andeutet und wie es beispielsweise in Deutschland und in arabischen Ländern viele US-kritisch eingestellte User geradezu lawinenartig in sozialen Netzwerken tun. Es stimmt: Mögliche Motive, einen "Casus Belli" manipulativ herbeizuführen, sind angesichts der außenpolitischen und strategischen Interessenlagen sowohl in den USA, als auch in Israel und in den Golfstaaten durchaus zu finden, sogar mehrere. Doch es gibt ebenso viele Motive, die genauso plausibel dagegen sprechen - nicht zuletzt auf Seiten des amerikanischen Präsidenten. Donald Trump ist von seinen Anhängern unter anderem dafür gewählt worden, die USA militärisch aus dem Nahen Osten zurückzuziehen. Ein Krieg gegen den Iran wäre jedoch vermutlich verlustreich und nicht ohne Bodentruppen zu gewinnen. Sollten US-Soldaten dabei fallen, würde dies Trumps Chancen auf eine Wiederwahl Ende 2020 nicht eben erhöhen.

Kräfte, die einen Krieg bewusst in Kauf nehmen

Am Ende bleibt die bittere Erkenntnis: Wer immer hinter der Provokation von Hormus steckt - es gibt in der derzeitigen Gemengelage auf jeden Fall Kräfte, die entgegen aller politischen Vernunft und Humanität einen Krieg bewusst als Risiko in Kauf nehmen oder ihn schlimmstenfalls sogar im eigenen Sinne als "Lösung" für ihren Konflikt mit der Gegenseite anstreben. Davor kann nur gewarnt werden. Ein Krieg am Golf hätte vermutlich verheerende Folgen für viele Länder der Region, insbesondere solche, in denen iranisch finanzierte Milizen schon heute militärisch aktiv sind, wie Jemen, Syrien, Irak und Libanon. Auch Israel, Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate wären vermutlich betroffen - die beiden letzteren sehen sich schon heute Attacken seitens der iranisch unterstützten Huthis aus dem Jemen ausgesetzt. Ein solcher Krieg hätte nur Verlierer. Es muss alles getan werden, ihn zu verhindern - auch seitens Deutschlands und Europas mit ihren begrenzten Mitteln. Dennoch ist zu befürchten, dass der Krieg, den angeblich niemand will, nun näher rückt.