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Politik

Freundschaft ist ein Gefühl!

Hofmann Max Kommentarbild
Max Hofmann
23. Januar 2018

Wenn Frankreich und Deutschland einen neuen Freundschaftsvertrag abschließen wollen, dürfen Klarheit und Gefühl des bisherigen Dokuments nicht verderben, meint Max Hofmann. Eine Liebeserklärung an den Elysée-Vertrag.

Sophie Marceau im Kultfilm "La Boum - Die Fête" aus dem Jahr 1980, in dem sich alles um die erste Liebe drehtBild: Imago/United Archives

Es muss ungefähr im Jahr 1988 gewesen sein. Eine Schulklasse aus Épinal, der französischen Partnerstadt von Schwäbisch Hall, begann ihren mehrwöchigen Schüleraustausch in Süddeutschland. Gut, die französische Schauspielerin Sophie Marceau war nicht dabei, aber die jungen Franzosen stellten trotzdem alles auf den Kopf.

Zu unserem teutonischen Erstaunen, zeigten sich die französischen Kollegen weitgehend unbeeindruckt von jeder Form von Autorität - Vive la Révolution! - und weichten sofort die im Schwäbischen alles durchdringende Ernsthaftigkeit auf. An Stelle der "Schaffe, schaffe, Häusle baue"-Mentalität standen Schalk und Schlagfertigkeit, die uns deutsche Schüler oftmals etwas lahm aussehen ließen. Sofern man überhaupt verstand, was der französische Nachwuchs so von sich gab.

Nach einigen Tagen aber schon bewegten sich die Schüler beider Nationen aufeinander zu. Plötzlich fingen die Deutschen an ein paar lockere Witze auf französisch zu reißen und die Franzosen dozierten über die Vorzüge des deutschen Reinheitsgebotes. Und dann war da natürlich noch l'Amour. Der französische Teenie-Schmachtfilm "La Boum" mit Sophie Marceau war damals zwar schon einige Jahre auf dem Markt, aber die deutsch-französischen Fêten in Schwäbisch Hall kann man sich ungefähr so vorstellen. Die jungen Erwachsenen von dies- und jenseits des Rheins beließen es nicht nur bei höflicher Konversation. Make love not war - im Gegensatz zu ihren Vorvätern bekriegten sich diese jungen Franzosen und Deutschen nicht, sie waren verrückt nacheinander.

Max Hofmann, aktueller DW-Korrespondent und ehemaliger Austausch-Schüler

Ein voller Erfolg

Wäre Konrad Adenauer 1988 dabei gewesen, es hätte ihn - trotz möglicher moralischer Einwände - vermutlich entzückt. Denn der Austausch damals war - bitte nicht missverstehen - der Fleisch gewordene Geist des 1963 abgeschlossenen Elysée-Vertrages zur deutsch-französischen Freundschaft.

Wörtlich heißt es in der gemeinsamen Erklärung zum Vertrag:

Der Originalvertrag hat viele Liebeleien ausgelöstBild: picture-alliance/Auswärtiges Amt

„In der Überzeugung, dass die Versöhnung zwischen dem deutschen und dem französischen Volk, die eine Jahrhunderte alte Rivalität beendet, ein geschichtliches Ereignis darstellt, das das Verhältnis der beiden Völker zueinander von Grund auf neu gestaltet".

Schon 1988 konnten die meisten Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Schüleraustausches zwischen Épinal und Schwäbisch Hall im Brustton der Überzeugung bestätigen: Dieses Ziel ist gelungen! Heute, 55 Jahre nach Vertragsschließung sind Deutschland und Frankreich in vielerlei Hinsicht zusammengewachsen. Der Elysée-Vertrag ist ein voller Erfolg. Daran haben die institutionalisierten Regierungskonsultationen natürlich ihren Anteil. Aber die Keimzelle des Erfolgs sind Förderung der jeweils anderen Sprache und der Jugendaustausch.

Stellt sich also die Frage: Was genau soll die jetzt verkündete Neuauflage des Vertrages eigentlich besser machen? Die deutsche Bundeskanzlerin sprach bei ihrem Besuch in Paris am 19. Januar davon, auf die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts reagieren zu wollen. Aber die Herausforderungen, mit denen sich der Elysée-Vertrag im Kern beschäftigt sind so alt wie die Menschheit und stets aktuell.

Es geht ums Gefühl

Es geht darum, sich kennen zu lernen und zu verstehen. Es geht darum, Kultur und Eigenheiten des anderen zu tolerieren, vielleicht sogar zu mögen oder lieben. Es geht darum, ein Gemeinschaftsgefühl und Vertrauen aufzubauen, das Verständnis, dass man - egal was kommt - einen echten Freund an der Seite hat, der auch in schwierige Zeiten zu einem steht. Es geht darum, auf die Errungenschaften des anderen stolz zu sein. Wenn ein Franzose unter dem Brandenburger Tor steht oder ein Deutscher am Eiffelturm und beide sagen können "Das ist auch ein Teil meiner Kultur", dann hat der Elysée-Vertrag sein Ziel erreicht.

Das Gefühl stimmt! Angela Merkel und Emmanuel MacronBild: picture-alliance/AP Photo/M. Euler

Liebe Politiker auf beiden Seiten, deshalb eine Bitte: Verhunzt dieses einfache und klare Dokument aus dem Jahr 1963, auf dessen Basis Millionen von Jugendlichen das jeweilige Nachbarland und seine Menschen kennen gelernt haben, nicht mit bürokratischem Gewäsch von Eurogruppe und PESCO, der neuen ständigen und strukturierten Zusammenarbeit in der Verteidigungspolitik. Das mag zwar alles wichtig sein für die Zukunft der EU, aber bei der deutsch-französischen Freundschaft geht es nicht (nur) um Defizite, Militärkoordination und Strukturmaßnahmen. Es geht um ein deutsch-französisches Gefühl.

Vive l'amitié franco-allemande!

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