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Politik

Ein spannendes Wahljahr bahnt sich an

Thurau Jens Kommentarbild App
Jens Thurau
20. Februar 2017

Die SPD im absoluten Höhenflug, die AfD kann sich für ihre Verluste bei den Herren Höcke und Trump bedanken. Und für die Grünen kann das ein ganz hartes Jahr werden. Jens Thurau kommentiert die aktuellen Wählerumfragen.

Angela Merkel für CDU/CSU und Martin Schulz für die SPD bewerben sich um die KanzlerschaftBild: picture-alliance/dpa/G. Fischer

So langsam dringt die Ahnung ins Gehirn, dass das ein ganz spannendes Wahljahr werden kann. Noch mal zum Mitschreiben: Im aktuellen "Sonntagstrend", den das Meinungsforschungsinstituts Emnid wöchentlich für die "Bild am Sonntag" erhebt, liegen die Sozialdemokraten erstmals seit zehn Jahren wieder vor der Union. Es steht 33 zu 32. Die SPD kann die Partei Merkels sogar übertrumpfen und liegt nicht mehr Lichtjahre hinter ihr, wie noch vor wenigen Wochen.

SPD-Politiker mit einem Strahlen im Gesicht

Trifft man in diesen Tagen führende Sozialdemokraten, dann haben sie alle dieses leichte Strahlen im Gesicht, das nur jemand haben kann, der lange Sehnsucht nach etwas hatte, was unerreichbar schien. Und jetzt kaum glauben kann, dass es zumindest möglich ist. Ja klar: Umfragen sind Umfragen und keine Wahlen, der große Test für die SPD kommt im Frühjahr, vor allem wenn in Nordrhein-Westfalen gewählt wird.

Aber glaubt man den Demoskopen, dann kuriert der Kandidat Martin Schulz gerade die chronische SPD-Krankheit namens mangelnde Mobilisierung. Es scheint doch viele Menschen im Land zu geben, die nicht für alle Zeiten mit der SPD gebrochen haben. Und viele, die ein Weiterregieren der Kanzlerin zwar nicht für eine Katastrophe hielten, aber auch nichts gegen einen Wechsel hätten, wenn denn einer kommt, dem man das zutraut mit dem Kanzleramt. Unfassbar noch vor wenigen Wochen: Den scheint es zu geben.

Jens Thurau ist Korrespondent im Hauptstadtstudio

Höcke und Trump: Nicht gut für die AfD.

Womöglich weiß auch die rechtspopulistische AfD nicht genau, wie ihr gerade geschieht. Neun Prozent sind jedenfalls weit entfernt von einem Siegeszug. Ihr Rechtsausleger Björn Höcke, der das Holocaust-Mahnmal für eine Schande hält und jetzt (vielleicht) aus der Partei geworfen wird, ist vielen potenziellen AfD-Fans denn wohl doch zu unappetitlich.

Aber vor allem wird den Wahlbürgern hierzulande gerade in Washington vorgeführt, wie es sich so anfüllt, wenn Hybris und Wutbürgergehabe, Ausländerfeindlichkeit und Nationalismus an der Macht sind. Ob die AfD noch mal so euphorische Glückwünsche an Donald Trump senden würde, wie nach dessen Sieg?

Geschrumpft bis auf die Stammwählerschaft

Und ganz bitter kann dieses Wahljahr für die Grünen werden. Sieben Prozent: Das ist ungefähr die Stammwählerschaft der Umweltschutzpartei. Und das schlechteste Umfrageergebnis seit Jahren. Der Niedergang hat viele Gründe: Die Mitgliederbefragung über die beiden Spitzenkandidaten sollte ein basisdemokratischer Aufbruch werden. Aber es gewannen: Katrin Göring-Eckhardt und Cem Özdemir, die die Deutschen seit Jahren kennen.

Dass auch die Grünen selbst das für wenig innovativ halten, zeigt das Ergebnis des noch weitgehend unbekannten Umweltministers aus Schleswig-Holstein, Robert Habeck, der gegen Özdemir antrat und nur um Haaresbreite verlor. Da hätten offenbar viele Grüne nichts gegen etwas Blutauffrischung gehabt. Und sonst? Die Grünen halten sich alle Optionen offen: Ein rot-rot-grünes Bündnis, auch eines mit Merkels Konservativen. Dieser Spagat ist doch ziemlich heftig. Was kriegt man also, wenn man grün wählt? Nichts Genaues weis man nicht. Ergebnis eben nur sieben Prozent.

Eine echte Wahl: Wer hätte das gedacht?

Sicher: Die Schwäche der kleinen Parteien ist auch das Ergebnis einer veränderten Lage, in denen zwischen den großen (tatsächlich: dazu gehört jedenfalls im Moment auch wieder die SPD) ein echter Wettbewerb stattfindet. Egal, wo man politisch steht: Deutschland hat die große Chance, in diesem Jahr eine tatsächliche Wahl zu haben, zwischen zwei vorzeigbaren Kanzlerkandidaten, gut für viele Überraschungen. Nicht das schlechteste Signal, wenn woanders in der Welt Staatenlenker die Axt an demokratische Grundregeln legen.

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