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Ein Trauerspiel um das #Bluegirl

Joscha Weber Bonn 9577
Joscha Weber
11. September 2019

Warum muss erst eine Tragödie geschehen, ehe die (Fußball-)Welt hinsieht? Die Selbstverbrennung der jungen Iranerin Sahar Khodayari alias #Bluegirl offenbart auch die Hilflosigkeit der FIFA, meint Joscha Weber.

Irans weibliche Fußballfans - nur in Ausnahmefällen dürfen sie ins Stadion. Hier beim Länderspiel gegen Bolivien 2018Bild: picture-alliance/dpa/S. Zareian

Sahar Khodayari gab für die Botschaft, die ihr so wichtig war, das Wertvollste, das sie besaß - ihr Leben. Am 1. September übergoss sich die 29-jährige Iranerin vor dem Islamischen Revolutionsgericht in Teheran mit Benzin und zündete sich an. Sie sollte ins Gefängnis, weil sie Fußballspiele besucht hatte - was Frauen im Iran immer noch nicht erlaubt ist. Sahar Khodayari wollte ein Zeichen setzen, ein tragisches und trauriges. Doch dieser ultimative Hilfeschrei blieb lange ungehört. Während sich in den sozialen Netzwerken große Anteilnahme am Schicksal der wegen ihrer blauen Kleidung im Stadion #bluegirl genannten Frau manifestierte, schwieg der Fußball-Weltverband.

Neun Tage brauchte die FIFA, um zu reagieren, auf diese Tat, die einen dunklen Schatten auf den Fußball wirft. In einem Statement kondolierte die FIFA am Dienstag Khodayaris Familie und Freunden und rief die iranischen Behörden dazu auf, "die Freiheit und Sicherheit aller Frauen zu gewährleisten, die an diesem legitimen Kampf zur Beendigung des Stadionverbots für Frauen im Iran beteiligt sind". Richtige Worte, aber eben nur Worte.

Die FIFA tut so, als wären ihr die Hände gebunden

DW-Sportredakteur Joscha Weber: "Eine peinliche Vorstellung der FIFA"

Neben den Verantwortlichen in Irans Regierung, Justiz und Fußball-Verband, die sich an ein völlig indiskutables, gestriges Weltbild mit kruden Geschlechter-Rollenbildern klammern, blamiert sich auch die FIFA nach Kräften. Ein Mitgliedsverband unterstützt aktiv, dass die Hälfte der Bevölkerung keine Fußballspiele sehen darf und der milliardenschwere Weltverband tut so, als wären ihm die Hände gebunden. Ein paar zaghafte Appelle in Richtung Teheran, mehr trauen sich die Hüter des Weltfußballs offenbar nicht.

Dabei wurde die FIFA in anderen Zusammenhängen schneller aktiv: In den vergangen Jahren suspendierte die FIFA die Verbände von Griechenland, Sudan und Sierra Leone (jeweils wegen Einmischung der Politik in den Fußball) sowie Pakistan (wegen einer Pfändung von Verbandseigentum durch einen gerichtlich bestellten Verwalter). Aber wenn Frauen für den Besuch eines Fußballspiels im Gefängnis landen, ist das für die FIFA keine Sanktion wert. Eine peinliche Vorstellung.

Sahar-Khodayari-Stadion?

Krudes Weltbild: Nur ganz selten haben Frauen offiziell das Recht, Fußballspiele zu besuchen. Bild: Getty Images/AFP/B. Cremel

Dass die FIFA am Mittwoch die Reise einer Beobachter-Delegation in den Iran ankündigte und iranische Behörden Frauen für das nächste Länderspielspiel am 10. Oktober gegen Kambodscha zuließen (für alle anderen Spiele aber weiterhin nicht), darf man getrost in die Kategorie "Druck aus dem Kessel lassen" stecken. Seit knapp 40 Jahren gilt im Iran das Verbot, das Frauen nach offizieller Lesart vor dem Anblick halbnackter Männer und vulgären Äußerungen im Umfeld des Spiels bewahren soll.

Bei ein paar Spielen durften Frauen seitdem in die Arenen, bei anderen wurden sie genau dafür hart bestraft. Und jetzt fällt der FIFA auf, dass das ja eigentlich ziemlich diskriminierend ist. Wenn sich daran etwas ändern soll, braucht es massiven sportpolitischen Druck und spürbare Sanktionen. Es ist Zeit, das sich was dreht im Umgang der FIFA mit dem Iran. Und vielleicht wird ja dann eines Tages ein iranisches Stadion nach einer echten Heldin des heimischen Fußballs benannt: Sahar Khodayari.

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