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Politik

Ein Twitter-Verbot sollte nur der Anfang sein

Scholz Kay-Alexander Kommentarbild App
Kay-Alexander Scholz
24. November 2017

Der Bundestag leidet unter Aufmerksamkeitsmangel. Sowohl bei den Abgeordneten als auch im öffentlich-rechtlichen Fernsehen. Ein Twitter-Verbot im Plenum findet Kay-Alexander Scholz deshalb gar nicht schlecht.

Bild: imago/C. Thiel

Der Bundestag ist das politische Machtzentrum in Deutschland. Hier wird debattiert, hier können die verschiedenen Parteien für ihre Positionen werben - soweit die Theorie. Die Realität, wie auch in dieser Woche wieder zu beobachten war, ist eine andere. In den vorderen Reihen, die ein Schreibpult haben, werden Unterschriften-Mappen durchgearbeitet. In den Reihen dahinter, sofern sie überhaupt besetzt sind, gibt es zwar keinen physischen Desk, dafür aber Tablets und Handys. Auf diesen wird getippt, gewischt, getwittert und gehashtagt, was das Zeug hält.

Als wäre das nicht schon kritikwürdig genug, gibt es noch eine andere Unsitte: Treten Redner aus dem anderen politischen Lager, fangen viele einfach an zu quatschen. Die Argumente der anderen können so gar nicht gehört werden.

Nicht nur eine Frage der Höflichkeit

Kay-Alexander Scholz ist Korrespondent im Hauptstadtstudio

Doch hieß es nicht allerorten im Wahlkampf, man wolle - als Lehre aus dem Erstarken von Populismus - wieder mehr Dialog? Um die Polarisierung in der Gesellschaft einzudämmen? Richtiger Gedanke! Die Abgeordneten könnten hier mit gutem Beispiel vorangehen. Anstatt dem Plenarsaal durch mangelnde Wertschätzung seine Bestimmung zu nehmen.

Zuhören ist aber auch aus einem anderen Grund wichtig: Mit der AfD hat eine Partei Einzug in den Bundestag gehalten, die zum Ziel hat, die Grenzen des Sagbaren auszudehnen. Das ist in dieser Woche so auch schon passiert. Als relativ frei und breit über einen angeblichen Plan der Vereinten Nationen eines Bevölkerungsaustausches in Deutschland geredet wurde. Diese Theorie gehört zum Grundgerüst der vom Verfassungsschutz unter Beobachtung stehenden "Identitären Bewegung". Nun ist das also auch einmal im Bundestag gesagt worden. Zwischenfragen? Fehlanzeige! Nur ein von Meinungsfreiheit murmelnder verunsicherter Versammlungsleiter.

Sind soziale Medien der richtige Weg?

Aber auch die Aufmerksamkeit außerhalb des Bundestags hat gelitten. Ob soziale Medien dafür das richtige Gegenmittel sind, wäre zu diskutieren. Auf jeden Fall sollte sich politische Transparenz, wie von manchen behauptet, nicht primär auf Beiträge in US-amerikanischen sozialen Medien stützen. Längst hat auf der anderen Seite des Atlantiks nämlich eine Debatte über die Grenzen von Facebook, Twitter und Co. für den Meinungsbildungsprozess in freien Gesellschaften begonnen.

Erinnert sei auch daran: Berichterstattung aus dem Bundestag ist eine konstitutionelle Aufgabe der öffentlich-rechtlichen Medien in Deutschland. Fernsehen ist für die meisten Altersgruppen noch immer das wichtigste Informationsmedium. In vor-digitalen Zeiten gab es im Abendprogramm längere Zusammenfassungen von Bundestagsdebatten zu sehen. Heute überträgt zwar der "Ereigniskanal Phönix" live, aber viele können tagsüber nicht einfach mal fernsehen. Und in den abendlichen Hauptnachrichten-Sendungen gibt es meist zu viele andere wichtige Dinge zu vermelden. Stattdessen dienen TV-Talkshows mit der ihr eigenen Logik der Vereinfachung und Zuspitzung seit Jahren als Debattenersatz. Doch Sendeplätze gibt es zuhauf. Ein Vorschlag: Ohne Schwierigkeiten könnte auf ein paar der inzwischen dutzenden Krimis verzichtet werden.

Es gab und gibt immer sehr gute Redebeiträge im Bundestag, ja, sogar glänzende Debatten. Es wird Zeit, dass die wieder stärker zur Geltung kommen - intern und extern. Die Abgeordneten sollten mit gutem Beispiel vorangehen. Der Vorschlag des Bundestagspräsidenten Wolfgang Schäuble für ein Twitter-Verbot könnte und sollte deshalb nur ein Anfang sein.

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