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Politik

Ein wichtiger Schritt

2. März 2020

Die Öffnung der vatikanischen Archive aus der Zeit von Papst Pius XII. findet weltweit Beachtung. Für Christoph Strack ist dieser Schritt mindestens so sehr im Interesse der Kirche wie der Historiker und Wissenschaften.

Bild: picture alliance/dpa/AP/G. Borgia

Für Wissenschaftler war dieser Montag ein Festtag. Seit diesem Tag können sie die vatikanischen Archivbestände zum Pontifikat von Papst Pius XII. (1939-1958) einsehen.

Pius XII. stand an der Spitze der katholischen Kirche, als der große Krieg ausbrach, als Nazi-Deutschland die systematische Juden-Vernichtung betrieb. Den einen gilt er als heiligmäßiger Papst, weil er - unbestritten - in Rom zur Rettung vieler Juden beitrug. Den anderen gilt er als Papst, der versagte, weil er - unbestritten - kaum laute Worte fand zum Massenmord an den Juden. Warum schwieg er vor 1945, warum schwieg er auch nach 1945 zur Shoa? So ernste, schmerzliche Fragen. Seit der Dramatiker Rolf Hochhuth 1963 mit seinem Theaterstück "Der Stellvertreter", einem "christlichen Trauerspiel", die Haltung dieses Papstes zur Juden-Vernichtung thematisierte und kritisierte, steht die Anklage im Raum: der Verschweiger.

Warum schwieg der Papst?

Dabei sprach Eugenio Pacelli, der knapp sechs Monate vor Beginn des Zweiten Weltkriegs zum Papst gewählt wurde, fließend Deutsch. Er vertrat von 1917 bis 1929 den Vatikan als Apostolischer Nuntius im Deutschen Reich beziehungsweise der Weimarer Republik.

Christoph Strack ist DW-KirchenexperteBild: DW/B. Geilert

Aber es geht nun nicht nur um die Fragen: Was wusste Pius XII. von der Ermordung der Juden? Wie erklärt sich sein Verhalten? Und halfen leitende Kurien-Mitarbeiter beim Untertauchen einstiger Nazi-Größen vor allem in Südamerika? Der dafür übliche Begriff "Rattenlinie" ist ein einziger Vorwurf.

Denn die 19 Jahre des Pontifikats von Pius XII. sind weltpolitisch in vielerlei Hinsicht eine extrem spannende Phase. Die Totalitarismen in West und Ost, Faschismus und Bolschewismus, die Entstehung der Vereinten Nationen, auch die Entstehung Europas als politischer Gemeinschaft, die Gründung des Staates Israel (den der Vatikan erst 1994 anerkannte) im Jahr 1948, das wachsende Bewusstsein für Demokratie, die Haltung zu Massenvernichtungswaffen und und und. In diesem Pontifikat kulminieren das Zueinander und das Gegeneinander von Kirche und Moderne. Und letztlich ist es notwendig und durchaus mutig, dass der Vatikan nun die Akten freigibt. Es geht um die Frage von Schuld und Verantwortung gegenüber den Juden, wie um Großthemen, die auch heute in kirchlichen Grundsatzdebatten noch virulent sind.

Ein wenig mehr Ehrlichkeit

Papst Franziskus entschied im vorigen Jahr, die eigentlich bis Oktober 2028, bis zum 70. Todestag von Pius XII. gesperrten Akten vorzeitig freizugeben. Für Teilbestände hatte dies bereits Benedikt XVI. (2005-2013) vollzogen. Rom will in dieser Frage Klärung und vielleicht auch Befriedung. Die Öffnung der Archive, die weltweit Beachtung findet, mag äußerlich als ein Dienst an der Wissenschaft wirken. Sie erfolgt durchaus aus gesundem Eigeninteresse der Kirche, sich ein wenig mehr ehrlich zu machen gegenüber sich selbst.

Dabei geht es auch um das bereits 1965 (!) begonnene Seligsprechungsverfahren für den Pacelli-Papst, das fortgeschritten, aber nicht abgeschlossen ist. Es ist schwer vermittelbar, dass ein Kirchenoberhaupt dieser Ambivalenzen zum leuchtenden Beispiel werden soll. Die Seligen und Heiligen jener Jahre ließen ihr Leben in Lagern und Hinrichtungsstätten.

Die in den letzten 150 Jahren grassierende Praxis, als Papst diverse Vorgänger selig- oder heiligzusprechen, lässt sich grundsätzlich hinterfragen. Es würde die historische Bedeutung von Pius XII., diesem Papst im Übergang, nicht schmälern, wenn ihm in seiner Größe und in seiner Verantwortung die Seligsprechung verwehrt oder erspart bliebe.

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