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Ein Wille, ein Weg

29. Mai 2015

Der britische Premier David Cameron hat bei der deutschen Kanzlerin Angela Merkel mehr Entgegenkommen für eine EU-Reform gefunden, als er je hoffen konnte, meint Christoph Hasselbach.

Bild: picture-alliance/dpa

Sind wir jetzt schlauer? Wissen wir jetzt, welche Reformen Cameron braucht, damit die Briten im Referendum ja zu Europa sagen? Dann könnte man offen streiten, ob solche Forderungen wünschenswert, realistisch, schwer durchzusetzen oder rundheraus abzulehnen wären. Aber wir können auch nach Camerons Sondierungsreise durch mehrere Hauptstädte Europas nur mutmaßen. Dahinter steckt Taktik. Niemand wagt sich aus der Deckung. Cameron nicht, auch Merkel und die anderen Regierungschefs nicht, mit denen Cameron diese Woche gesprochen hat. Man will sich nicht festnageln lassen, um nicht hinterher als Verlierer dazustehen.

Die Richtung von Camerons Wünschen immerhin ist klar: Er will eine europäische Ebene, die kleiner, effektiver und gegenüber den Einzelstaaten weniger einflussreich wäre als heute. Längst nicht alles daran ist strittig. Niemand hat etwas gegen Bürokratieabbau und mehr Effizienz. Auch wenn Cameron Kompetenzen von Brüssel auf die nationale Ebene zurückverlagern will, schreien zwar Kommission und Europaparlament laut auf, aber auch dafür gibt es in den Mitgliedsstaaten durchaus Sympathien.

Arbeiten und leben, wo man will

Der Spaß hört aber für die meisten auf, wenn Cameron die Arbeitnehmerfreizügigkeit aushöhlen will. In Berlin und Paris teilt man zwar das britische Unbehagen über EU-Ausländer, die angeblich nur der Sozialleistungen wegen umziehen - auch wenn die Statistiken immer wieder zeigen, dass das die Ausnahme ist und die Aufnahmeländer unterm Strich von der Arbeitsmigration profitieren. Doch selbst die Regierungschefs, die solche Sorgen teilen, wollen die Freiheiten des Binnenmarktes unbedingt aufrechterhalten: Wenn Europäer heute wählen können, wo in der EU sie arbeiten und leben, dann ist das eine der größten Errungenschaften, die der Kontinent zu bieten hat. Unsere Vorfahren konnten davon nur träumen. Das gibt man nicht schnell mal auf, selbst wenn es einen gewissen Sozialmissbrauch geben wird.

DW-Redakteur Christoph HasselbachBild: DW/M.Müller

Vertragsänderungen im deutschen Interesse?

Fest steht aber auch: Niemand will die Briten loswerden. Sie sind bei all ihren Sonderwünschen und Quertreibereien einfach zu wichtig für die EU. Und auch Cameron selbst will die EU nicht leichten Herzens verlassen, weil er in diesem Fall zurecht einen wirtschaftlichen Aderlass für sein Land fürchten muss, aber auch, weil er verhindern will, dass das europafreundliche Schottland sich seinerseits aus dem Vereinigten Königreich löst. Es gibt also auf beiden Seiten grundsätzlich eine enorme Bereitschaft, den Briten den Verbleib schmackhaft zu machen.

Die Bundeskanzlerin ist Cameron dabei jetzt besonders weit entgegengekommen. Mit dem Satz "Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg" schloss sie selbst Änderungen der EU-Verträge nicht mehr aus, diese könnten "gegebenfalls" sogar im deutschen Interesse liegen. Auch wenn sie weiß, dass die Hürde Vertragsänderung sehr hoch ist, hat sie sich doch demonstrativ flexibel gezeigt. Mehr Entgegenkommen geht nicht.

Den Briten etwas bieten

Jetzt ist vor allem geschickte Diplomatie gefragt. Cameron muss beim nächsten EU-Gipfel Ende Juni endlich konkret sagen, was er will. Dann wird es darum gehen, ihm etwas zu geben, was er zuhause als Gewinn für Großbritannien verkaufen kann, ohne aber Errungenschaften wie die Freiheiten des Binnenmarktes anzutasten. Wenn Cameron Unannehmbares fordert, wird sein Reformversuch scheitern, dann könnten die Briten tatsächlich die EU verlassen. Wenn andere Regierungen ihn bewusst auflaufen lassen, droht dasgleiche. Das darf nicht passieren. Alle hätten durch einen "Brexit" sehr viel zu verlieren. Natürlich entscheiden nicht die Regierungschefs über Großbritanniens EU-Mitgliedschaft, sondern die britische Bevölkerung. Doch die Regierungen haben es in der Hand, den Boden für ein Ja zu bereiten.

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