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Politik

Eine Entschuldigung für Asia Bibi

Shams Shamil Kommentarbild App
Shamil Shams
29. Januar 2019

Das Oberste Gericht Pakistans hat Asia Bibi endgültig freigesprochen. Aber das Unrecht, das der Christin widerfahren ist, verlangt nach einer eingehenden Selbstprüfung des Rechtsstaates, meint Shamil Shams.

Der Freispruch Asia Bibis löste Ende 2018 massive Proteste von Islamisten ausBild: AFP/Getty Images/A. Hassan

Die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs in Pakistan, einen Berufungsantrag gegen Asia Bibis Freispruch abzulehnen, ist zu begrüßen. Indem die Richter weiterhin zu ihrem Beschluss stehen, das Todesurteil gegen Bibi aufzuheben, beweisen sie großen Mut. Ende Oktober vergangenen Jahres hatte das Gericht die Christin vom Vorwurf der Gotteslästerung freigesprochen und damit ein Todesurteil von 2010 aufgehoben. Wegen Blasphemie-Vorwürfen hatte Asia Bibi seit 2009 im Gefängnis gesessen.

Machtlos gegen religiöse Hardliner

Seien wir ehrlich: Die Entscheidung dürfte den Richtern nicht leicht gefallen sein. Gotteslästerung ist im streng konservativ-islamischen Pakistan ein sensibles Thema. Zwei bekannte Politiker wurden am helllichten Tag umgebracht, weil sie sich für Bibi ausgesprochen hatten. Immer wieder gibt es Berichte von gewalttätigem Mob, der angebliche Gotteslästerer lyncht. Anwälte und Richter, die Beschuldigte verteidigen, werden offen von Extremisten bedroht. Religiöse Gruppierungen nutzen die Blasphemie-Gesetze, um mehr politische Macht zu gewinnen. Wegen all dem ist Bibis Freispruch als großer Verdienst der pakistanischen Justiz zu werten.

DW-Redakteur Shamil Shams

Ebenfalls nicht zu unterschätzen ist, dass der Fall Asia Bibi auch politisch hochbrisant ist. Er hat offen gelegt, dass die Regierung unfähig ist, die Macht der Islamisten im Land zu beschränken. Pakistanische Politiker scheuen sich davor, die kontroversen Blasphemie-Gesetze zu kritisieren, obwohl mit diesen seit ihrer Einführung in den 1980er-Jahren eine Fülle brutaler Morde und unzählige Gefängnisstrafen gerechtfertigt worden sind. Pakistans Politiker haben sich bisher nie getraut, die Islamisten gegen sich aufzubringen. Denn diese haben so viel Einfluss auf der Straße, dass sie das ganze Land paralysieren können, wie sich in der Vergangenheit immer wieder gezeigt hat.

Auch die seit einem halben Jahr amtierende Regierung unter Premierminister Imran Khan wird der Kritik religiöser Gruppierungen am nun ergangenen Richterspruch im Fall Asia Bibi nicht entkommen. Doch der frühere Cricket-Star scheint entschlossen, die Rechtsstaatlichkeit zu verteidigen. Damit wäscht er sich einige dunkle Flecken von der Weste: Noch im November war er nämlich unter dem Druck der Islamisten eingeknickt und hatte mit der radikalen Partei Tehreek-e Labbaik Pakistan (TLP) ein Abkommen geschlossen, das auch einen Revisionsantrag gegen Bibis Freispruch vorsah. 

Blasphemie-Gesetze auf den Prüfstand

Der neue Richterspruch ist ein Meilenstein und ebnet den Weg, dass Bibi Pakistan endlich verlassen kann - denn dort lechzen religiöse Hardliner weiter nach ihrem Blut. Das zu begrüßende Urteil des Obersten Gerichtshofs kann aber nicht davon ablenken, dass Bibi, eine Mutter von fünf Kindern, zehn Jahre ihres Lebens hinter Gittern verloren hat. Das macht deutlich, dass Pakistans Rechtssystem reformiert und die Blasphemie-Gesetze im Parlament auf den Prüfstand gestellt werden müssen - und zwar ohne Rücksicht auf Islamisten. 

Zudem darf nicht aus dem Blick geraten, dass auch das jetzt verkündete Urteil im Einklang mit genau den Blasphemie-Gesetzen gefällt wurde, welche die Christin überhaupt erst ins Gefängnis brachten. Das Oberste Gericht hat Asia Bibi nur freigesprochen - und lehnte nun einen Berufungsantrag gegen diesen Freispruch ab - weil es nicht genug Zeugen dafür gab, dass Bibi sich beleidigend über den Propheten Mohammed geäußert hat.

Dabei ist es in einem Land wie Pakistan gar nicht so schwer, falsche Zeugen aufzutreiben. Es muss deshalb in Zukunft darum gehen zu verhindern, dass Menschen allein aufgrund von unbewiesenen Vorwürfen und Behauptungen hinter Gitter kommen. Zwar sollte auch weiterhin Rücksicht auf die Empfindlichkeit der meisten Pakistaner in Bezug auf Gotteslästerung genommen werden, doch rechtliche Schlupflöcher müssen geschlossen werden, damit nicht noch einmal eine unschuldige Person derart leiden muss.

Ein neues Leben für Asia Bibi

Viele westliche Länder haben Asia Bibi Asyl angeboten. Wahrscheinlich wird sie Pakistan also schon sehr bald verlassen. Ihre Töchter sind Berichten zufolge bereits in Kanada, was für eine Übersiedlung dorthin spricht. Aber auch in Europa, wo sie viele Unterstützer hat, könnte die 48-Jährige unterkommen.

In jedem Fall ist es die Chance für sie, ein neues Leben zu beginnen. Sowohl im christlichen als auch im islamischen Glauben hat Vergebung einen hohen Stellenwert. Und so wäre es nicht verwunderlich, wenn Bibi ihren Peinigern vergeben würde - sowohl den Menschen als auch der Regierung. Aber der Staat Pakistan ist in jedem Fall zu einer Entschuldigung verpflichtet. Die beste Art, sich zu entschuldigen, wäre sicherzustellen, dass kein anderer Mensch mehr Opfer dieser Blasphemie-Gesetzgebung werden kann.

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