Selten war ein Gipfeltreffen derart überfrachtet, selten waren die Erwartungen dermaßen gedämpft. Hoffnung auf einen Durchbruch - Fehlanzeige bei allen vieren, bei Merkel und Hollande, bei Putin und Poroschenko. Mehr als eine "schonungslose Bestandsaufnahme" sei nicht drin, hieß es in Berlin. Das Gipfeltreffen diene lediglich dem "Uhrenvergleich" der vier Granden, meinte ein Kremlsprecher.
Zeitfragen sind es in der Tat, die Kiew und Moskau trennen, Fragen der zeitlichen Abfolge, Fragen des passenden Zeitpunktes. Im Abkommen von Minsk war im Februar 2015 auf deutsche und französische Vermittlung hin der Rahmen für eine Beilegung des Konfliktes im Donbass abgesteckt worden. Politische, rechtliche und militärische Absichtserklärungen, aufgeschlüsselt in 13 Punkten. Man muss nicht abergläubisch sein, um an dieser Vereinbarung einiges schräg zu finden. Denn "Minsk" enthält keinen Fahrplan, sagt nicht, was als erstes, was als zweites geschehen soll.
Die jeweils eigenen Prioritäten
Also haben sich Kiew und Moskau hinter ihren jeweils eigenen Prioritäten verschanzt. Die Ukrainer wollen erst die Sicherheitsfragen lösen und sich dann an die Politik machen. Die Russen sehen es genau umgekehrt: Erst soll Kiew politisch seinen Verpflichtungen nachkommen, danach kann über Militärisches geredet werden. In Kiew gilt jedwede politische Konzession als "Verrat" und als "Kapitulation". Die russische Führung wiederum hat sich mit ihrer schrillen Rhetorik dermaßen auf der Seite der Separatisten positioniert, dass auch ihr als Verrat angelastet würde, wenn sie die Aufständischen militärisch fallen ließe. Verfahrener könnte die Lage kaum sein.
Deutschlands Anstrengungen
Um überhaupt etwas zu bewegen, hatte sich die deutsche Diplomatie in der Donbass-Frage in den letzten Wochen regelrecht verausgabt. Sie war volles Risiko gegangen, hatte Grenzen ausgetestet, für die Verhandlungspartner, für sich selbst - und dabei auch Bauchlandungen riskiert. Mitte September etwa war der deutsche Außenminister in Kiew. In aller Öffentlichkeit sagte Steinmeier, sein russischer Kollege Lawrow habe ihm zugesichert, den Einfluss des Kreml auf die Separatisten in der Ost-Ukraine zu nutzen, um eine Feuerpause durchzusetzen.
Russlands Mantra hatte ja immer gelautet, mit dem Konflikt im Grunde nichts zu tun zu haben. Die Regierung in Kiew müsse sich vielmehr mit den Separatisten einigen, um den "Bürgerkrieg" zu beenden. Das Dementi aus Moskau folgte einen Tag später: So etwas habe Lawrow nie gesagt, so etwas habe er ja gar nicht zusichern können. Und doch: Der neue Anlauf zum Waffenstillstand - brüchig zwar auch diesmal - eröffnete den Raum für eine Vereinbarung, die Truppen auseinander zu ziehen.
Ein gutes Stück weiter?
Daran haben sie jetzt weiter gearbeitet und sind bei der Truppenentflechtung und bei der Arbeit an einer konkreten "Roadmap", einem Zeitplan für "Minsk" ein gutes Stück weiter gekommen - die deutsche Bundeskanzlerin und der französische Präsident als Vermittler; der ukrainische Präsident, in dessen Land der Krieg tobt; und der russische Präsident, der seinen Einfluss auf die Separatisten in der Ostukraine schon irgendwie geltend machen wird.
Putin musste sich in Berlin einiges anhören - zu seiner Rolle im Donbass und zum russischen Militäreinsatz in Syrien. An der Seite von Diktator Assad bombardiert Russlands Luftwaffe die Zivilbevölkerung von Aleppo. Der französische Präsident nennt das ein Kriegsverbrechen, die deutsche Bundeskanzlerin brachte deswegen neue Sanktionen gegen Moskau ins Spiel.
Putin war trotzdem nach Berlin gekommen. Weil er bereit war zu Zugeständnissen? Weil er merkt, dass er sich verrannt hat, in der Ostukraine und im Nahen Osten? Oder weil er seine beiden Kriege gegeneinander auszuspielen versucht, die Intervention in Syrien und den Kampf um dauerhaften Einfluss in der Ukraine? Diesen Kampf wird Putin ganz sicher nicht aufgeben - auch wenn der Gipfel von Berlin zum Donbass mehr war als bloße Bestandaufnahme. Auf dem Papier stehen nun ein paar Ergebnisse.
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